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Folge 46 - Kunst als Protest - Stimmen aus Beirut. Wie du jetzt wieder in Bewegung kommen kannst

In Beirut habe ich drei Künstler*innen getroffen, die auf ganz unterschiedliche Weise mit ihrer Kunst auf Gewalt, Repression und gesellschaftliche Ungerechtigkeit reagieren. Nohad ElHajj, Hashem Hashem und Lujain Jo zeigen, wie kreativ-feministischer Protest aussehen kann: leise oder laut, dokumentarisch oder performativ, körperlich oder meditativ. Und sie zeigen: Es gibt nicht den einen Weg – sondern viele. Vielleicht findest du hier Inspiration für deinen eigenen?

Jetzt reinhören – für neue Perspektiven, Mut und Bewegung <3

46 - Kunst als Protest - Stimmen aus BeirutLaura Vorsatz
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Shownotes zur Podcastfolge:

Leïla Slimani: Der Duft der Blumen bei Nacht (auf buch7)

LasTesis: Un violador en tu camino

 

Nohad ElHajj

Nohads Gedicht

 

Folge 35: Der westliche Blick 2: Als Feminist*in in anderen Ländern | Libanon

 

Folge 36: Feminisms in Action: Sarah Kaddoura [eng]

Folge 40: Feminismen in Aktion: Ola al-Jundi und die syrische Revolution

 

Hashem Hashem

Zahlen der Explosion in Beirut

 

Lujain Jo

Doku: Beirut: Eye of the Storm

Oliwia Hälterlein: Das Jungfernhäutchen gibt es nicht (auf buch7)

Statistiken zu Femiziden: BKA und ZEIT Online

Radikale Töchter Webseite

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Folge 7: Bildet Banden - denn es betrifft uns alle!

 

1000Dank an die Heinrich-Böll-Stiftung in Beirut, an Nohad ElHajj, Hashem Hashem, Lujain Jo, die Einleser*innen der Übersetzungen Ellen, Lasse und Antonia, als auch die Sprachnachrichtlerin und Cesy Leonard von den Radikalen Töchtern!

 

Musik von slip.stream

Coverdesign: Svenja Limke

Titelmusik: Louis Schwadron

Sneak Peak Feminismen in Aktion 11.png

Trailer zu "Beirut: Eye of the Storm" mit Lujain Jo

Transkript

Die Folge als Text!

Bitte beachte: Das Transkript wurde automatisch mit noScribe Vers. 0.5 erstellt und ist nicht perfekt.

Das ist Feminismus mit Vorsatz, der Podcast rund um feministische Perspektiven mit mir, Laura. Ich weiß noch, wie in meiner Schule eines Tages Friedenstauben im Atrium heruntersegelten. Vom zweiten Stock aus ließen mehrere SchülerInnen ihre Papiervögel Richtung Mensa fliegen. Schön sah das aus. Verantwortlich dafür war meine Lieblingskunstlehrerin Frau Kirsche, Grüße. Zusammen mit ihrer Klasse wollte sie ein Zeichen gegen Krieg und Terror setzen. Mich hat das berührt, weil Politisches in der Schule sonst kaum Platz einnahm. Ich selbst bin schon immer gerne kreativ. Egal ob ich eine Geburtstagskarte bastle, einem Beistelltisch einen neuen Anstrich im Chor singe, Theater spiele oder ein Hammeroutfit zusammenstelle. Selbst im Wochenbett, wo wirklich keine Zeit für solche Scherze ist, habe ich Mini-Minuten dafür genutzt, Wölkchen für ein Mobile auszuschneiden. Nicht aus Supermom-Gründen, sondern aus [00:01:22] Ich-möchte-spüren-dass-ich-noch-ich-bin-Gründen. Für mich ist Romkunsten also existenziell. Aber Kunst, die in Museen hängt, da muss man doch immer verstehen, was der oder die Künstlerin sich dabei gedacht hat, oder? Wenn ich kreativ bin, denke ich oft einfach nur, boah, gefällt mir. Darf ich Kunst auch so sehen? Wenn es nach Leila Slimani geht, ja. Sie ist eine marokkanische Autorin, die in Frankreich lebt, und sie hat so wie ich ihre Zeit gebraucht, sich in Museen wohler zu fühlen. Lange Zeit fragte sie sich, ob sie eines Tages voller Überzeugung Sätze ausrufen würde wie, was für eine Beherrschung der Perspektive, oder, welch ein Meister der Farben. Bis es soweit sein würde, machte Leila Slimani einfach vor jedem Gemälde ein andächtiges Gesicht und beugte den Rücken vor lauter Ehrfurcht. Ein Freund, der Kunst studierte und sie mal ins Museum begleitete, machte sich darüber lustig. Tu nicht so unterwürfig, sieh dir das an, was dir gefällt, was dich bewegt. Leila Slimani versucht [00:02:24] sich seitdem von ihrem persönlichen Geschmack und ihren Gefühlen leiten zu lassen, aber sie gibt zu, die Befangenheit ist nie ganz verschwunden. Museen bleiben für sie elitäre Räume, in denen sie sich klein fühlt. Wie praktisch, dass sie diese Gedanken aufschreibt, während sie freiwillig in einem Museum in Venedig übernachtet. Mehr dazu in ihrem Buch Der Duft der Blumen bei Nacht. Mir jedenfalls geht es ganz genauso. Manchmal haut mich Kunst einfach um, wie zum Beispiel die feministische Performance des chilenischen Künstlerinnen Kollektivs Lastesis, die Selbstporträts von Frida Kahlo oder die Aktion der Guerilla Girls, die immer und immer wieder darauf hinweisen, dass männliche Künstler in Museen überrepräsentiert sind und sich das ändern muss. In seltenen, aber umso kostbareren Momenten sehe ich im Museum ein Bild und bekomme Gänsehaut. Aber in vielen Fällen machen Ausstellungen wenig mit mir und es ist [00:03:26] Arbeit, mir dann immer wieder zu sagen, es ist okay, ich bin nicht dumm, diese Art Kunst ist einfach nicht für mich gemacht. Grundsätzlich tut es mir aber gut, Ästhetisches zu sehen. S05 [00:03:36]: Wenn man sich mit Feminismus auseinandersetzt und halt auch nicht nur theoretisch, sondern versucht auch irgendwie ins Machen zu kommen und sich mit anderen Menschen darüber unterhält, hat man manchmal schon das Gefühl, dass man sich mit sehr viel Negativität auseinandersetzt. Deshalb finde ich, dass sich mit feministischer Kunst auseinanderzusetzen, dann halt schon wieder irgendwie was Schönes und was Positives ist und uns einfach Kraft gibt. Wenn ich jetzt zum Beispiel in eine feministische Ausstellung gehe, dann weiß ich, dass die Menschen um mich herum auch sehr viele ähnliche Standpunkte haben wie ich und man befasst sich halt mehr mit Ästhetik und mit was Schönem, mit Geschichten und dann habe ich das Gefühl, dass es halt eben eine coole Bewegung ist, in der ich halt auch gerne bin, auch wenn es manchmal schwierig ist, als Feministin so durch S01 [00:04:30]: den Alltag zu kommen. Ja, Negativität ist das Stichwort, it's everywhere. Und zwischen Schweigen und Ausrasten gibt es ja zum Glück ein paar mögliche Ventile. Kunst kann eins sein, kann helfen, mit Ohnmacht oder Wut umzugehen und wieder in Bewegung zu kommen. Und genau darum geht es in dieser Folge. Ich will also über künstlerischen Widerstand sprechen. Es wird in den folgenden Interviews aus Beirut auch um schwere Themen gehen. Wir sprechen zum Beispiel über patriarchale Kontrolle in Familien, über queere Erfahrungen mit Ausgrenzung und über politische Repressionen. Wenn das für dich gerade zu viel ist, überspringen diese Passagen oder hör die Folge lieber nicht allein. Und bevor es losgeht, noch ganz kurz was Organisatorisches. Es gibt ein paar Änderungen, wie ihr mich finanziell unterstützen könnt. Steady bleibt bestehen, aber wird von mir nicht mehr aktiv bespielt, weil die Gebühren einfach zu hoch sind. Der PayPal-Link bleibt für Einmalspenden bestehen und ganz neu, ihr könnt jetzt auch monatlich oder [00:05:32] jährlich unterstützen. Dafür gibt es aber einen neuen Link. Und wenn ihr da die Gebühren übernehmt, dann freut mich das natürlich sehr. Ein Ersatz für Steady ist Substack. Dort kommen ziemlich wenig Gebühren zustande und ihr bekommt mein Newsletter gleich dazu. Am allerbesten jedoch wäre ein Dauerauftrag auf mein Konto. Da gibt es dann nämlich gar keine Gebühren und ich kann mit dem Geld einfach planen. Die IBAN findest du in den Show Notes. Pick dir letztendlich einfach die Möglichkeit raus, die am besten passt. Ich freue mich über jeden Beitrag. Und ganz wichtig, wenn du deine Adresse dazu schreibst, dann bekommst du auch ein Dankeschön, zum Beispiel eine Postkarte. Der Versand erfolgt dann zwei bis dreimal im Jahr gesammelt. Alle Links dazu findest du in den Show Notes und ja, schreib mir, wenn du Fragen hast. In Beirut habe ich drei KünstlerInnen getroffen, die auf sehr unterschiedliche Weise mit ihrer Kunst auf gesellschaftliche Missstände reagieren. Du wirst Hashem Hashem kennenlernen, der seine Transition durchgemacht hat, während auch Beirut sich [00:06:35] schlagartig veränderte, und du wirst von der Filmemacherin Lu Jane Zhou hören, die mitten in der libanesischen Revolution 2019 zur Kamera griff, um Geschichten gesellschaftlicher und familiärer Machtstrukturen zu erzählen. Wie es sich aber für eine feministische Reise gehört, bleiben wir zunächst in Bewegung. Und zwar auf einem Spaziergang durch Beirut. Das ist nicht selbstverständlich, denn Beirut ist absolut nicht dafür gemacht, sich auf zwei Beinen vorzubewegen. (11 Sekunden Pause) Zusammen mit der Künstlerin Nohad el-Hash schlängel ich mich an mehreren möglichen Todesursachen vorbei. Die Fußwege sind schmal und oft zugebaut, ob von Restaurantgarnituren, Müll- oder Gemüseständen, egal. Mittendrin tun sich Gräben auf und wir weichen auf die Straße aus. Aber da sind dicke Autos unterwegs und es gilt nun mal das Gesetz des Stärkeren. Ich bin [00:07:37] zu diesem Zeitpunkt im siebten Monat schwanger und sowieso direkt am Gucken nach Sitzgelegenheiten. Aber nein, warum machen wir das? S02 [00:07:44]: Ich möchte in der öffentlichen Räume sein, aber ich kann nicht in einer Protestzeit sein. Ich habe Angst vor Gruppen. (..) Ich muss meinen Weg finden. Ich brauche eine Stimme. Und für mich geht es darum, eine Stimme zu haben. S07 [00:07:57]: Ich möchte in der Öffentlichkeit sein, aber nicht bei einer Demo. Ich fühle mich in großen Gruppen nicht wohl. Also musste ich meinen eigenen Weg finden. Denn ich wollte meine Stimme erheben. Und das Gehen erlaubt mir das irgendwie. (.) Es ist sehr subtil. Es geht mir ums Dasein, im wahrsten Sinne des Wortes ums Sein. S01 [00:08:23]: Ich habe in diesem Podcast ja schon öfter über den Libanon gesprochen. In Folge 35 habe ich mir Gedanken darüber gemacht, wie ich den westlichen Blick verlassen kann und meinen feministischen Werten entsprechend über den Libanon berichten kann. In Folge 36 hat Sara Kadoura, palästinensische Geflüchtete in dritter Generation, über ihre feministische Reise gesprochen. Und auch die syrische Lehrerin Ola Al-Jundi hat in der 40. Folge in ihrer Geschichte rund um die syrische Revolution und ihre Flucht in den Libanon blicken lassen. (.) Ich bin im Juni 2023 nach gut zwei Monaten wieder aus dem Libanon zurückgekommen und hatte ehrlich gesagt wenig Ideen, wie es dem Land mal wieder besser gehen könnte. Schon damals schien alles am Limit. Das Geld war kaum noch was wert, tägliche Stromausfälle, in Beirut überall Spuren der Hafenexplosionen und dann, wenige Monate später, Krieg. Auf Instagram teilt Nohat regelmäßige Eindrücke von ihren Spaziergängen, auch während des Krieges. Ja, Nohat ist weitergegangen. [00:09:28] In ihrem How do you live a war? Walking Diary Ende letzten Jahres schreibt sie (......) S07 [00:09:39]: An einem winterlichen Morgen scheint die Sonne gnadenlos auf eine Ziegelstein-orangene Couch, einen achtlos hingeworfenen Schal und ein angelesenes Buch. (......) Ich schließe meine Augen und nehme drei tiefe Atemzüge. S08 [00:09:59]: Die Art Atem, die den Bauch erreicht. (....) Einatmen, halten, ausatmen, lesen. (..) S01 [00:10:20]: Ich kann mir vorstellen, dass so eine Geh-Performance für manche abstrakt wirkt. Mir geht es jedenfalls so. Aber ich verstehe es mehr in Richtung, Widerstand ist manchmal schon, einfach nur zu existieren. S07 [00:10:31]: Es geht im wahrsten Sinne des Wortes ums Sein, im öffentlichen Raum sein. (.......) Und Dinge tun, die dieses ganze System, in dem wir leben, verbietet. Also manchmal ist der Spaziergang eine Art Protest. (.....) Einfach, weil ich in einer unbegehbaren Stadt gehe. S01 [00:11:03]: Nohat hat in Beirut und Edinburgh studiert, in Südafrika gearbeitet, berät nun NGOs und Unternehmen. Sie trägt ein Kopftuch und Brille, auf ihren Espadrilles sind kleine Kakteen gestickt. Während ich Nohat hinterher stolpere, erklärt sie mir, wie ihre Spaziergänge sonst ablaufen. S02 [00:11:21]: Was wir jetzt machen, ist das Gegenteil von dem, was ich normalerweise mache. S07 [00:11:25]: Ich gehe mit Leuten und frage sie Fragen oder lasse sie reden. (....) Vielleicht kann Kunst uns alle retten. Nein, wird sie nicht. S02 [00:11:50]: Ich habe mich als Begründung eröffnet, dass es keine Antwort gibt. (.....) Es gibt keinen einen Weg und es gibt keinen anderen Weg. (.....) S07 [00:12:08]: Es gibt keinen. (..) S01 [00:12:11]: Nohat hat ihre eigene Protestform gefunden. Wenn sie allein unterwegs ist, begleitet sie feministische Literatur. Zum Beispiel von Ethel Adnan, einer libanesisch-amerikanischen Künstlerin oder von der afroamerikanischen Feministin Bell Hooks. (.) S02 [00:12:27]: Normalerweise mache ich so. S07 [00:12:42]: Ich habe das Gefühl, dass hier der richtige Ort ist und dann schlage ich das Buch auf und welche Seite auch immer kommt, ist die richtige. (.) Interessanterweise kommt da jedes Mal, wenn ich das tue, das passende Zitat. Also hier... (..) S02 [00:12:59]: Wir dürfen keine Fotos machen. S01 [00:13:01]: Nohat zeigt mir ein Zitat, das sie vor einer Weile aus einem Buch an eine Mauer geschrieben hat. Ich will es fotografieren, aber ein Soldat pfeift uns zurück. (11 Sekunden Pause) S07 [00:13:20]: Das ist eine Militärbasis. Ich weiß noch, als ich das Zitat schrieb, war ich super ängstlich. Es hat sich angefühlt, als würde ich zum ersten Mal etwas Aufregendes in der Öffentlichkeit machen. (........) Aber ich hatte das Gefühl, dass ich es hier schreiben muss. Also habe ich einfach ganz, ganz schnell gemacht. Es ist nicht sehr leserlich. (..) S01 [00:13:48]: Aber ich war sehr stolz. Ich persönlich mag es sehr, dass Nohats Kunstform so introvertiertenfreundlich ist und sie sich trotzdem herausfordert. Dabei ist es ihr auch nicht wichtig, dass diese Zitate lange zu lesen sind. Es lässt sich mal besser und mal schlechter auf dem Putz schreiben. Es wird auch mal regnen. Mein Foto habe ich trotzdem. (16 Sekunden Pause) S09 [00:14:24]: Die Street Art von Beirut fasziniert mich. S01 [00:14:27]: Das ist Hashem Hashem. Er ist in Beirut geboren und aufgewachsen. (......) S09 [00:14:37]: Tatsächlich fahre ich Roller und kein Auto. So ist es einfacher für mich, die Stadt zu sehen. Ich genieße das sehr. (......) Manchmal fahre ich wirklich nur rum, um die Mauern zu sehen. Dann parke ich am Straßenrand und mache Fotos. S01 [00:14:56]: Hashem hat Gender Studies studiert und macht Performances im Theater. Aber er mischt auch mit, wenn es um Beiruts Wandgestaltung geht. (.......) S09 [00:15:11]: Ich denke, dass ich auf diese Weise mit Beirut kommuniziere, durch die Wände. Und die Menschen hören mich auch. (........) S00 [00:15:26]: Sie sehen die Stencils, die ich gemacht habe. Und sie sagen, dass es sie wirklich beeindruckt hat. (14 Sekunden Pause) S09 [00:15:44]: Und ich sage nicht, dass es mich ist. (........) S01 [00:15:56]: Mein Mitbewohner Christian meinte mal, wenn wir hier was haben, dann ist es Platz. Natürlich ist auch eine Katze da. Beirut wird nämlich eigentlich von ihnen regiert. Hashem komplementiert sie umständlich aus dem Zimmer, damit wir ohne Mautzer sprechen können. S00 [00:16:12]: Am 4. August 2021 gab es eine große Demonstration, (.) S09 [00:16:23]: bei der wir Gerechtigkeit gefordert haben. Das war genau ein Jahr nach der Explosion. Und da habe ich auch ein neues Stencil mit einem Gedicht für Beirut gemacht. (........) Ich wollte damit den Opfern, die wir verloren haben, und auch den Überlebenden und den Verletzten dieser Explosion Tribut zollen. S01 [00:16:48]: Die Explosion am Hafen, bei der im Jahr 2020 2750 Tonnen unsachgemäß gelagertes Ammoniumnitrat in die Luft ging, brachte über 200 Tote, mehr als 6000 Verletzte. Und weil weite Teile Beiruts so richtig verwüstet wurden, verloren um die 300.000 Menschen ihr Zuhause, wohlbemerkt mitten in der Corona-Pandemie. Die queere Community traf das ins Mark. Denn viele Queers leben nahe des Hafens und mussten nach der Explosion häufig zu ihren Familien zurück, die Queers oft nicht so akzeptieren, wie sie sind. Die Familien der Getöteten wiederum fordern bis heute vergeblich, dass aufgeklärt wird, wie es zu dieser Katastrophe kommen konnte und dass die Verantwortlichen verurteilt werden. Aber die libanesische Regierung übernimmt keine Verantwortung, Untersuchungen werden vielmehr blockiert. Als ich knapp drei Jahre nach der Explosion in Beirut lebte, waren die Spuren der Explosion nach wie vor zu sehen. Hier und da waren gesprungene Fensterscheiben nicht ersetzt, [00:17:49] Ziegel lagen zum Teil wirr auf den Dächern herum. Die auffälligste Auswirkung der Explosion war jedoch der Leerstand. Für viele Libanesinnen war die Explosion der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Wer gehen konnte, ging. Hashem blieb und entdeckte Performance-Kunst für sich. (......) S09 [00:18:14]: Ich habe eine Performance mit dem Titel »I am the same, yet so different«, also ich bin derselbe und doch so anders geschrieben und aufgeführt, die sich vor allem mit den Parallelen zwischen den Veränderungen meines eigenen Körpers durch die Transition und den Veränderungen, die Beirut als Stadt erfahren hat, befasst, weil sie in der gleichen Zeit stattgefunden haben, nämlich zwischen 2019 und 2020, 2021. S00 [00:18:41]: Ich versuche in dieser Performance, nachzudenken, was Heimat ist, S09 [00:18:54]: wenn sich diese Heimat ständig verändert und wenn es ein sehr zehrender Ort ist, an dem man sich aufhält. Was ist dann Heimat? Und weil ich in diesem Körper und in dieser Stadt geboren wurde und mein ganzes Leben hier verbracht habe, habe ich das Gefühl, dass mein Körper und Beirut eine andere Perspektive haben. S00 [00:19:11]: Ich habe sie radikal verändert, besonders in diesen zwei Jahren. (30 Sekunden Pause) S09 [00:19:46]: Ich glaube, das erste Mal, dass ich mir meines Körpers bewusst wurde, war im Theater. (....) Ich bin ein sehr kopflastiger Mensch, sehr sprachorientiert. Ich schreibe immer, ich rede immer, ich habe nie über meinen Körper nachgedacht. Und ich denke, dadurch, dass ich mich damals in meinem Geschlecht unwohl fühlte, war ich auch nicht so verbunden mit meinem Körper. S00 [00:20:11]: Mein Körper hat mir Schmerzen gebracht, hat mich verarscht, hat mich verhaftet, hat mich nicht glücklich fühlt in diesem Ort. Ich kann mich nicht mit transsexuellen Erfahrungen verbinden, die sagen, dass ich mein Körper mein ganzes Leben hat verhattet. In der Tatsache, ich habe meinen Körper geliebt, ich habe ihn geschützt, ich habe das Gefühl, es war schön. (24 Sekunden Pause) S09 [00:20:53]: Aber ich habe ihn auch vergessen. (15 Sekunden Pause) S01 [00:21:12]: Ich habe mir entschieden, mehr auf meinen Körper zu hören. S09 [00:21:16]: Ich habe beschlossen, mehr auf meinen Körper zu hören. S01 [00:21:20]: Tatsächlich brachte die Corona-Pandemie Hashem den Raum, den er für seine Transition gebraucht hat. Während also alle zu Hause waren, dachte Hashem, S00 [00:21:29]: dass es ein sicherer Raum für mich ist, um zu versuchen, zu transitionieren und zu sehen, wie mein Gesicht aussieht, wie mein Bart aussieht, wie mein Körper aussieht, wie ich mich fühle usw. (12 Sekunden Pause) S09 [00:21:51]: Und meine Angst vorm Fliegen, meine Angst vor dem Tod, meine Angst vor Krankheiten, das waren die drei größten Ängste, über die ich 24-7 nachgedacht habe. Sie sind einfach verschwunden. (..) S00 [00:22:05]: Ich habe noch nie so eine innere Frieden in meinem Leben erlebt. S09 [00:22:08]: Ich habe noch nie so eine innere Frieden in meinem Leben erlebt. Ich habe noch nie in meinem Leben so einen inneren Frieden erlebt. S01 [00:22:12]: Diesem inneren Frieden ging ein Aufschrei voraus. Die Oktoberrevolution 2019. Laut, fordernd und an vorderster Front queer. Für Hashem war das ein Moment von Sichtbarkeit, von Zugehörigkeit und vielleicht der Anfang seiner Reise zu sich selbst. S00 [00:22:30]: von Sichtbarkeit, von Zugehörigkeit und vielleicht der Anfang seiner Reise zu sich selbst. Die Queers sind hier und blockieren die Straße und chantieren. S09 [00:22:34]: Die Queers sind hier und blockieren die Straße und chantieren. Die Queers sind hier und blockieren die Straße und chantieren. Die Queers sind hier und blockieren die Straße und chantieren. (.) Die Queers sind hier und blockieren die Straße und chantieren. Die Queers sind hier und blockieren die Straße und chantieren. Die Queers sind hier und blockieren die Straße und chantieren. Die Queers sind hier und blockieren die Straße und chantieren. S01 [00:22:57]: Die Queers sind hier und blockieren die Straße und chantieren. Die Queers sind hier und blockieren die Straße und chantieren. (.) S00 [00:23:06]: Die Queers sind hier und blockieren die Straße und chantieren. Viele Queer-Gruppen organisieren Poetry-Nights, Storytelling-Nights. S09 [00:23:13]: Darüber hinaus organisieren viele Queere Gruppen Poesieabende, Storytelling-Abende, politische Diskussionen, Vorträge über LGBTQIA-Plus-Rechte, Filmvorführungen und das im Stadtzentrum von Beirut. S00 [00:23:26]: Für mich war es wie eine Zurückeroberung der Stadt. S09 [00:23:29]: Für mich war es wie eine Zurückeroberung der Stadt. Und ich liebe diese Stadt. Ich liebe die Kunst und ich liebe die Queers. Für mich war es also eine Mischung von all dem. S00 [00:23:40]: Und ich liebe die Stadt. Ich liebe die Kunst und ich liebe die Queers. Für mich war es ein Mischung von allem. Wundervoll, warum nicht? (16 Sekunden Pause) S04 [00:24:03]: In den Protesten hatte ich das Gefühl, dass alle diese euphorische Freiheit hatten. S03 [00:24:07]: Bei den Protesten hatten, denke ich, alle dieses Gefühl von euphorischer Freiheit. S01 [00:24:12]: Das ist Lu-Jane Zhou. Sie hat den Protest 2019 als Dokumentarfilmerin begleitet. S04 [00:24:18]: Du nimmst das einfach kollektiv auf. S03 [00:24:25]: Du bist auf der Straße, spürst diese Energie. Und etwas so Einfaches wie zu filmen, ist schon ein Akt der Auflehnung. Ich bin frei. Ich filme das jetzt. Ich mache das jetzt. (..) Du läufst einfach mitten auf der Straße und nichts kann dich aufhalten. S01 [00:24:42]: Wie es war, unter den Protestierenden zu sein und Geschichte einzufangen, ist wiederum in der Doku Beirut in der Stadt, mit Eye of the Storm zu sehen. Leider konnte ich nirgendwo einen Stream finden. Aber falls du mal die Gelegenheit hast, schau den Film auf jeden Fall. Es geht um vier junge Frauen, eine davon ist Lu-Jane, die den Aufstand gegen das herrschende Regime, die anschließende Abriegelung wegen der Pandemie und damit auch das Ende der Aufstände und die gigantische Explosion im Hafen nur wenige Monate später dokumentieren. S04 [00:25:12]: Es war ein sehr liberales Gefühl. Ich glaube, wenn man die Leute auf der Straße sieht, die sich gegen all diese Oppressionen und das System, das sie zerstört, S03 [00:25:24]: und sie verbreitet haben, (10 Sekunden Pause) S04 [00:25:36]: hat es mir all diese persönlichen Gefühle von Freiheit zurückgebracht, die ich hatte, als ich versucht habe, mich von der Gewalt und der Familie entfernen zu lassen. (25 Sekunden Pause) S01 [00:26:10]: Lu-Jane liebt Kirschen zu essen und es folgt meine Eisbrecherfrage zum Einpegeln der Mikros. (11 Sekunden Pause) Das kann ich als Frühstücksfanatikerin überhaupt nicht verstehen. Schnell steckt sich Lu-Jane noch eine Kirsche in den Mund. Ihr afghanischer Schmuck klirrt dabei so vor sich hin. (...) Schön, oder? (.......) S03 [00:26:46]: Ich bin in einem sehr konservativen Haushalt aufgewachsen. Nicht religiös, aber eben konservativ. Auch, weil wir nicht in unserem Herkunftsland gelebt haben. Und meine Familie dachte, sie müsse die Mädchen in unserer Familie so gut wie möglich kontrollieren. Die Welt durften wir nur über Schule und Fernsehen sehen. (14 Sekunden Pause) Mein Fenster zur Welt waren also Filme, Serien, Kino. Und das hat mein Weltbild geprägt. S01 [00:27:27]: Das steht im krassen Gegensatz dazu, wie mobil Lu-Janes Familie ist. Ursprünglich aus dem Irak kommt, ist Lu-Janes Vater beruflich auf der ganzen Welt unterwegs. Und obwohl die Eltern schon lange getrennt sind, ist die Großfamilie finanziell abhängig und zieht immer mit nach Hause, wenn sie nicht mehr zu Hause sind. S04 [00:27:43]: Ich bin in der ersten Zeit in der Welt in die nächste Stadt. S03 [00:27:52]: Schon als kleines Kind, das ist meine früheste Erinnerung, wollte ich Ballerina werden. Und das war ein totales No-Go. Ich habe mich in Zimmern versteckt und für meine Cousinen einen Bauchtanz gemacht. Und die meinten dann, erzähl das bloß niemandem, dass du Bauchtänzerin werden willst. Träum nicht mal davon. Reiten, Skateboard fahren, Rollschuh laufen, Touren. (.......) Alles, was mit Bewegung zu tun hatte, war verboten. Was, wenn dabei das Hümen reißt? In dieser Gesellschaft ist das das größte Problem. (....) S01 [00:28:32]: Das Hümen, auch bekannt als Jungfernhäutchen. Anatomisch gesehen ist allein die Idee eines Jungfernhäutchens völliger Bullshit. Schon mal drüber nachgedacht, wie Menstruationsblut aus der Vagina kommen soll, wenn sie mit einer Art Frischhaltefolie verschlossen wäre? Genau. (.) Was die allermeisten Vaginas eint, ist eine Art Schleimhautkranz, durch den Tampons, Penisse oder was auch immer durchkommen, ohne Schmerzen zu verursachen oder zu bluten, lese ich bei Olivia Helterlein im thematisch passenden Maro-Heft. Dieser Schleimhautkranz sagt absolut nichts über die sexuelle Aktivität ihrer TrägerInnen aus. Leider interessiert sich das Patriarchat wie so oft herzlich wenig für Fakten. (12 Sekunden Pause) S03 [00:29:27]: Ich wusste schon als Kind, mein Körper muss bewahrt und bis zur Ehe aufgehoben werden. Dann ist es die Aufgabe meines Mannes, mit mir umzugehen. (.) Und meine Familie muss bis dahin einfach sicherstellen, dass ich mich nicht mal so verhalte, dass andere denken könnten, ich hätte meine Jungfräulichkeit verloren. S01 [00:29:48]: Alle Männer in Loujains Familie hatten mehr über Loujains Körper zu bestimmen als sie selbst. Wenn Loujains Vater nicht zu Hause war, kontrollierte sie eben der nächstbeste Mann. (13 Sekunden Pause) S03 [00:30:12]: Ich erinnere mich, mein ältester Bruder war, glaube ich, in der siebten Klasse. Er rief mich einmal zu sich, ich war in der zweiten Klasse und trug eine Hose und einen Top. Dann musste ich die Arme hochheben und wenn man meinen Bauch gesehen hat, hat er mich angeschrien und gesagt, du musst was drunter ziehen. S04 [00:30:29]: Und das ist die Art von Macht, die man einem Siebklässler über seine kleine Schwester gibt. S01 [00:30:41]: Das ist eine der harmloseren Anekdoten. Loujain lässt mich ausführlich an ihrer Vergangenheit teilhaben. Es kommt mehrmals vor, dass es mir die Sprache verschlägt und ich sie einfach nur mit feuchten Augen anstarre. Ich möchte hier aber nicht länger ausmalen, wie sadistisch Menschen sein können, denen das Patriarchat Macht gibt. Du weißt es, die Zahlen der Femizide, also der Morde an Frauen, weil sie Frauen sind, sprechen für sich. In Deutschland sind wir laut Bundeskriminalamt bei einer toten Frau an fast jedem Tag angekommen. Dabei sind die Täter alle drei Tage Partner oder Ex-Partner, berichtet die Zeit. Auch alle anderen vorstellbaren Straftaten gegenüber Flinter-Personen nehmen zu. Loujain ist Überlebende. Und ihre Erfahrungen haben dazu geführt, dass ihr Blick auf Machtverhältnisse ganz sicher kein theoretischer ist. Wer so viel Kontrolle erlebt hat, weiß, wie sich Hierarchie anfühlt und erkennt sie überall. Auch wenn sie diejenige mit Macht ist. Wie beim Filmemachen, wo sie das Narrativ bestimmt. S04 [00:31:43]: Ich wollte eine Geschichte über den Irak erzählen, 20 Jahre nach der Krieg. S03 [00:31:47]: Ich war vor kurzem für eine Geschichte im Irak, 20 Jahre nach dem Krieg. Und ganz ehrlich, ich würde mich nicht mehr als richtige Irakerin bezeichnen, weil ich mein ganzes Leben außerhalb gelebt habe. S01 [00:31:59]: Irak. An was musst du denken? (.....) S03 [00:32:06]: Ich bin wie so ein Ex-Pat, der zurückkommt und einfach die Kamera draufhält. So sehe ich den Irak. Ich hatte das Gefühl, ich filme es als etwas Exotisches, als dieses komische neue Ding. Ich habe auch Blicke auf der Straße bekommen von bestimmten Leuten und gemerkt, stopp, ich muss erstmal meine eigenen Stereotype abbauen. (...) S01 [00:32:31]: Ich muss direkt an Märkte denken, Früchte, Gemüsestände, Gewürze. (11 Sekunden Pause) S03 [00:32:47]: Ja, Bilder wie Müll auf der Straße, ein grauer Tag, jemand mit bestimmter Kleidung läuft traurig vorbei. Viele meiner Aufnahmen sahen so aus. (.........) Und ein paar sind auch im Film. Ich bin in den Filmen geblieben, weil ich nicht wollte, dass alles nur la la la aussieht. Als wäre alles strahlend schön. (.......) In Hollywood-Filmen über unsere Region ist doch immer dieser Sepia-Filter drüber. Und man erkennt die Städte kaum wieder. Am nächsten Tag wollte ich dann also andere Leute treffen. Ganz andere als am ersten Tag. Ich habe sie interviewt, ihre Umgebung gefilmt. (......) [00:33:54] Und war total überrascht, wie viel Grün es im Irak gibt. Schöne Parks, überall Bäume. Niemand zeigt diese Bäume. Dabei ist es so einfach. Zeig die Bäume! (....) S01 [00:34:09]: Ja, das erinnert mich daran, dass viele Menschen verwundert sind, wenn sie lernen, dass es im Libanon gar keine Wüste gibt. Nicht alles im sogenannten Nahen Osten ist Sand und Kamele. Überraschung! (.) Nun macht sich Lou Jane aber nicht nur Gedanken über ihre Machtposition hinter der Kamera, auch über ihre Macht als Mensch. (.....) S04 [00:34:33]: Wenn jemand einen Vogel sieht, dann tötet er ihn. Keine Gedanken. Warum tötest du ihn? Er beobachtet meinen Raum. Du beobachtest deinen Raum um die ganze Welt herum. Lass den Vogel deinen Raum beobachten für fünf Minuten, es ist in Ordnung. S03 [00:34:48]: Wir alle haben Macht über die Natur auf ganz unterschiedliche Weise. Wenn jemand einen Insekt sieht, zack, sofort tot. Warum tötest du es? Weil es in deinem Raum eindringt, aber du selbst dringst überall in der Welt in Räume ein. Lass das Insekt doch mal fünf Minuten in deinem Raum sein. Es ist okay. S01 [00:35:08]: Wo sie recht hat, hat sie recht. In ihrem ersten Film geht sie dieser Hierarchie nach. S04 [00:35:12]: Rahala ist ein Film, der mir sehr am Herzen liegt. (..) Es wurde in Aquarien, Museen, Zoos und in zehn verschiedenen Städten gedreht. S03 [00:35:24]: Rahala ist ein Film, der mir sehr am Herzen liegt. Ich habe ihn in Aquarien, Museen und Zoos in zehn verschiedenen Städten gedreht. Als ich das Material aufnahm, wusste ich gar nicht, dass es mal ein Film wird. Aber ich liebe es, Musik zu hören und einfach zu filmen. Und ich liebe Quallen. Ich verliere mich total in den Bildern. Film ist für mich total meditativ. Einfach nur da sein und beobachten. Manchmal reicht das, um Machtverhältnisse zu sehen. (19 Sekunden Pause) S04 [00:36:12]: Ich habe das Fisch für 15 bis 20 Minuten gefilmt. Nur ein Fisch. Nur um zu zeigen, dass es sich um seine Gefangenheit bewegt. (19 Sekunden Pause) Ich würde mich nicht dafür vergeben, mein ganzes Leben nur zu sitzen. Filmen wir den Mond, Sonnenuntergang, die Natur in all ihren verschiedenen Formen, Tiere. (........) Egal, welche Hierarchien und die Kämpfe, die wir täglich machen, der Sonne wird aufwachen und wird auf tägliche Basis runterfallen. (.....) S03 [00:37:14]: Der Mond kommt und geht. Und das alles ganz gleichgültig. Egal, was wir tun. Ich dokumentiere das, um uns daran zu erinnern. Wir sind nichts. (..) Winziger als ein Staubkorn im Universum. S04 [00:37:33]: Wenn jemand jetzt auf den Mond geht und versucht, es zu explodieren, dann kann man das nicht filmen. Oder es genießen. S03 [00:37:40]: Es sei denn, jemand beschließt jetzt, zum Mond zu fliegen und den auch noch zu erforschen. Und eines Tages können wir selbst das nicht mehr filmen oder genießen. (.....) S01 [00:37:55]: Und auch jetzt, zwei Jahre später, mit einem Krieg dazwischen, erzählt mir Lou Jane in einer Sprachnachricht, dass sie sich weiterhin genau daran hält. An die Schönheit der Natur. Durch den Krieg ist ihre Arbeit für die Associated Press krass fordernd. AP ist nämlich dafür verantwortlich, Nachrichten im Grunde schon produziert zu haben, wenn gerade noch etwas passiert. Und Lou Jane sehnt sich nun wieder sehr danach, Dokus zu drehen. Ich hoffe wirklich sehr, dass das klappt. (......) Drei Menschen, drei Wege, mit der Welt klarzukommen. (.) Nohart geht und geht in einer unbegehbaren Stadt. Hashem fühlt sich durch seine Kunst mit Körper und Stadt verbunden. Lou Jane nutzt ihre Kamera wie eine Waffe gegen Machtverhältnisse und reflektiert gleichzeitig ihre eigene Macht hinter der Kamera. Was könntest du machen, wenn alles zu viel wird? Hashem, Lou Jane und Nohart zeigen mir, künstlerischer Protest kann leise oder laut sein. [00:38:57] Meditativ oder körperlich, dokumentierend oder performativ. Hauptsache, sie gibt dir einen Raum, in dem du für einen Moment selbst entscheiden darfst, wie du die Welt sehen willst. (....) Es gibt so viele Wege. Was macht dir Spaß? Oft ist es ja etwas, was wir schon in der Kindheit geliebt haben. Und auch wenn du mit dem Rumkunsten vermutlich keinen Systemumsturz provozierst, macht Kunst so viele Möglichkeiten auf, wieder ins Tun zu kommen und daraus neue Kraft zu schöpfen. Und das ist super wichtig. Ein Vorschlag wäre, sich mit den Radikalen Töchtern auseinanderzusetzen. Ich bin großer Fan und fühle mich mindestens als Tante der Radikalen Töchter. Sie bieten Workshops für Aktionskunst an. Und was das bedeutet, erzählt Ceci Leonard, die Gründerin der Töchter, die am besten selbst. S06 [00:39:51]: Wir geben Methoden an die Hand, wie Menschen durch Humor, durch künstlerische Methoden, sich gegen bestehende Ungerechtigkeiten künstlerisch zur Wehr setzen können. Und da entstehen dann ganz unterschiedliche Aktionen dabei. Das könnten kleine Plakatkampagnen sein von Menschen aus der ländlichen Region, die sich was überlegt haben oder Kultstickern gehen. Oder es sind größere Aktionen, wo dann beispielsweise eine rassistische Bäckerei angegangen wird und eine ganze Videokampagne dazu aufgebaut und bearbeitet wird. Also für uns ist es auch nochmal wichtig zu sagen, wir verstehen uns als feministische Organisation. Und da ist das Politische ja auch schon im Privaten drin. Das heißt, wir arbeiten wirklich damit, dass wir sagen, schon die scheinbar kleinen Dinge, die für uns Widerstand bedeuten und Haltung zeigen bedeuten, [00:40:53] sind wichtig und brauchen eine Bühne und sollen künstlerisch Ausdruck finden. Und deswegen ist eine kleine Postkartenkampagne genauso wertvoll wie vielleicht eine große Aktion wie von Kollektiven wie dem PENG-Kollektiv oder dem Zentrum für politische Schönheit. S01 [00:41:11]: Auf der Homepage radikale-töchter.de werden demnächst offene Workshop-Termine geteilt. Du kannst aber auch Workshops als Gruppe anfragen. Für Anfragen aus den ostdeutschen Bundesländern oder ländlichen Gebieten gibt es wahrscheinlich sogar Förderung. Also trau dich! Auch bei Instagram und in der Telegram-Gruppe der Töchter gibt es Infos und gegenseitigen Support. Und das Beste, du brauchst keine Vorerfahrung, sondern einfach nur den Wunsch, was machen zu wollen. Die Links findest du in den Show Notes. S06 [00:41:40]: Ich hoffe, dass wir gemeinsam eine Bande bilden können und wir mit euch mehr Zuwachs zu unserer Community bekommen und kreativ, humorvoll und mit ganz viel Ausdauer kreativen Protest in diesen Zeiten hochhalten. Danke! S01 [00:41:58]: Banden bilden. Wenn es die eigene sein soll, hör doch nochmal in Folge 7. Aus meiner Sicht ist das nach wie vor eine der wichtigsten Folgen von Feminismus mit Vorsatz überhaupt. Aber diese Folge hier war auch nicht übel. Ich bin sehr froh, dass die Interviews endlich das Licht der Podcast-Welt erblicken, denn ich wusste doch, dass ich da noch richtige Schätze in der Schublade habe. Und ja, ich hoffe, du siehst es ähnlich und kannst den Input nun erstmal wirken lassen. Ich finde, es zeigt auf jeden Fall mal wieder, wie sehr wir nicht eine Lösung oder einen Umgang, sondern Vielfalt brauchen. Für mich ist dieser Podcast auf jeden Fall eine Art, mit der Welt klarzukommen. Er motiviert mich, alles einzuordnen, eine Struktur im Chaos zu finden und dadurch finde auch ich irgendwie meinen Platz in der Welt. Ich merke auf jeden Fall, wie mich das widerstandsfähiger macht. Und dann hilft es mir rumzukunsten, ohne dass es was mit Geld verdienen oder einem zwingenden Ergebnis zu tun hat. Und ich sage nicht, dass das einfach ist, aber gerade mache ich malen nach Zahlen. [00:43:01] Kleine Farbtöpfchen, dünne Pinsel, diese Farbe dort, diese Farbe da. Dazu ein Hörbuch oder Podcast. Genial. (27 Sekunden Pause) Ich verbleibe wie immer mit feministisch vorsätzlichen Grüßen. Tschüss!

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