Folge 50 - Nicht alle dürfen Eltern werden - Wenn der Kinderwunsch politisch wird
Wer darf in unserer Gesellschaft Kinder bekommen – und wer nicht? In der zweiten Folge der Trilogie zu reproduktiver Gerechtigkeit geht es um das Recht, Kinder zu bekommen: um Kinderwunsch und unerfüllte Sehnsucht, um Barrieren in der Kinderwunschbehandlung, um queere Elternschaft und um strukturelle Ungleichheiten rund um Geburt und Elternwerden.
Mit persönlichen Geschichten, Sprachnachrichten und Gesprächen mit Expert*innen wie Amina Nolte, Jonte Lindemann, Taleo Stüwe, Svetlana Kostić, Anthea Kyere und Iane Winkler.
Wir sprechen über medizinische Ausschlüsse, Zwangssterilisationen, rassistische Geburtshilfe und die Frage: Was braucht es, damit alle Menschen Kinder bekommen können – unter würdigen Bedingungen?
Diese Folge ist eine Kooperation mit dem Gunda-Werner-Institut der Heinrich-Böll Stiftung. Du hörst die zweite Folge der Trilogie zu reproduktiver Gerechtigkeit.
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Shownotes zur Podcastfolge:
GWI: Broschüre zu Reproduktiver Gerechtigkeit
Feminismus mit Vorsatz: Kinder ja oder nee 1+2
Jonte Lindemann
Gesellschaftswissenschaftler*in
Mitglied beim Gen-ethischen Netzwerk
Taleo Stüwe
„Argument“ der „gespaltenen Mutterschaft“ ist nicht haltbar [PDF]
Es gibt kein Recht auf ein eigenes Kind [PDF]
„Gene auf Probe“ von Mareice Kaiser in: Alisa Tretau: Nicht nur Mütter waren schwanger
digitale Fortsetzung des Buchs: https://nichtnurmuetter.de/
Zahlen zum Bluttest (NIPT) & Fruchtwasseruntersuchung
https://www.aok.de/pp/gg/daten-und-analysen/praenataldiagnostik/
https://www.bifg.de/media/dl/ePaper/bifg_ePaper_NIPT.pdf
Svetlana Kostić: Reproduktive Gerechtigkeit aus der Perspektive von Rom*nja und Sinti*zze
RomaniPhen: Interview mit Elena Gorolová
Berichte zu Bevölkerungskontrolle in Peru, Grönland und Brasilien
https://amerika21.de/2020/10/244019/zwangssterilisation-peru
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/daenemark-groenland-entschuldigung-spiralen-100.html
https://amerika21.de/2018/06/204944/sterilisation-brasilien
Iane Winkler
Hebamme und Wissenschaftler*in
Rassismus und Armutsgefährdung gehören zusammen [PDF]
Fortbildungskollektiv Queer*sensible Geburtshilfe
GWI: Warum das deutsche Abstammungsrecht queere Familien im Stich lässt
Save the date: Reproductive Futures Festival am 21./22. November in Berlin
1000Dank an das Gunda-Werner-Institut der Heinrich-Böll-Stiftung für die Unterstützung, besonders danke ich Amina Nolte. Danke an Taleo Stüwe, Jonte Lindemann, Svetlana Kostić, Anthea Kyere und Iane Winkler wie auch allen Sprachnachrichtler*innen und der Zitateinleserin Antonia Vorsatz!
Musik von slip.stream
Coverdesign: Svenja Limke
Titelmusik: Louis Schwadron
Transkript
Die Folge als Text!
Bitte beachte: Das Transkript wurde automatisch mit Auphonic erstellt und ist nicht perfekt.
[0:00]Diese Folge ist eine Kooperation mit dem Gunder-Werner-Institut der Heinrich-Böll-Stiftung. Du hörst die zweite Folge der Trilogie zu reproduktiver Gerechtigkeit. [0:33]Das ist Feminismus mit Vorsatz, der Podcast rund um feministische Perspektiven mit mir, Laura. Früher war Schwangerwerden eine meiner größten Ängste. Ich habe in der ersten Folge dieser Trilogie schon erzählt, wie erleichtert ich in diesem Flugzeug Richtung Auslandssemester war und klar wurde, kein Baby in Sicht. Du hast es vermutlich schon gehört, wenn nicht schnell zur Folge davor. Fast zehn Jahre nach diesem Flug finde ich mich heulend in einer Badewanne wieder, weil ich mal wieder meine Tage bekommen habe. Ich bin allein in Spanien, Sonne, Pool, gutes Essen, fast alles nach meinem Rhythmus. Nur dieser Kinderwunsch, der lässt sich nicht von jetzt auf gleich erfüllen. In meiner Doppelfolge zu Kinder ja oder nee habe ich sehr viele gute Gründe gegen Kinder aufgezählt und die gelten nach wie vor. Für mich hat letztendlich die Lust auf die Erfahrung überwogen. Ich fand die Vorstellung von einem Leben mit Kind aufregend und ich war mir sicher, dass ich viel zu geben habe und auch geben möchte. Damals hatte ich auch eine Doku über Billie Eilish gesehen, in der ihre Mutter sinngemäß sagte, ich war einfach bereit für diese Herausforderung. Ich wollte Kinder. Das hat mit mir resoniert. Ich dachte, krass, so kann man es also auch sehen. [1:52]Was mich total überrascht hat, war, wie wenig ich über meinen eigenen Körper wusste. Ich wusste nicht mal so genau, wo die Gebärmutter bzw. Der Uterus ist. Als ich dann schwanger werden wollte, musste ich gefühlt alles neu lernen. Wie der Zyklus funktioniert, was dann Schwangersein bedeutet, was unter der Geburt passieren kann, welche Entscheidungen man vorher treffen muss. Und ich habe gemerkt, ich bin damit nicht alleine. [2:21] Auf dem Weg zur Mutterschaft [2:16]So vieles rund ums Kinderkriegen ist in unserer Gesellschaft wie eine Art Spezialwissen. Dabei ist es unser aller Anfang und gehört nicht in irgendeine Nische gedrängt. [2:33]Als ich dann Mutter geworden bin, hatte ich ziemlich viel Glück. Ich war finanziell abgesichert, hatte früh eine Hebamme und habe hilfreiche Infos aus meinem Freundinnenkreis bekommen. Und trotzdem hatte ich oft das Gefühl, im Nebel zu stehen, weil es auf so viele Fragen einfach keine klaren Antworten gibt, weil Studien fehlen, weil alles so voller Unsicherheiten ist. Und das betrifft nicht nur die Schwangerschaft, sondern fängt viel früher an. Denn wer kann denn überhaupt Eltern werden? In dieser Folge schauen wir genau hin. Wer hat die medizinischen, sozialen, rechtlichen und finanziellen Zugänge, um ein Kind in diese Welt zu setzen? Wer wird unterstützt und gut begleitet, auch unter der Geburt, und vor allem, wer nicht? Willkommen beim zweiten Teil rund um reproduktive Gerechtigkeit, in dem es vor allem um das Recht geht, so viele Kinder zu bekommen, wie man das möchte, und sie auch so zu gebären, wie man sich das vorstellt. [3:33]Und persönlich weiß ich einfach, was das für eine krasse Situation ist, einen Kinderwunsch zu haben und wie schwierig das für manche Menschen ist, den sich zu erfüllen. [3:42] Privilegien und Herausforderungen [3:43]Und ich habe das ja auch selbst erlebt, also quasi in einer sehr privilegierten Position heraus und trotzdem war es schrecklich. [3:49]Das ist Amina Neute vom Gunder-Werner-Institut der Heinrich-Böll-Stiftung. Als Referentin für reproduktive Gerechtigkeit bringt sie für diese Trilogie die neuesten Studien, politischen Debatten und eigene Erfahrungen zusammen. Zum Beispiel die Erfahrung, was ein unerfüllter Kinderwunsch bedeuten kann. [4:07]Ich glaube, es ist schon so dieser Kontrollverlust über den eigenen Körper. So dieses, warum funktioniert das nicht? So alle um, also viele in der Zeit haben irgendwie Kinder bekommen, ein, zwei. Und dass es nicht geklappt hat, ist dann schon auch so ein Gefühl von, ich verliere irgendwie die Kontrolle darüber, was gerade passiert. [4:29]Ja, das kann ich nachvollziehen. Dieses ganze sich reproduzieren wollen, ist eine so körperliche Erfahrung, bei der ich mich den Naturgewalten spürbar ausgesetzt gefühlt habe. Das sind wir ja sonst eigentlich auch, aber wir können uns im Alltag zwischen Technik, Termin und Tabellen so wunderbar einbilden, in Sicherheit zu sein und alles im Griff zu haben. Zumindest ich war es gewohnt, dass das, was ich mir vornehme, meistens auch eintritt. [4:57]So in der Phase der Kinderwunschzeit habe ich mich sehr viel eben auch so mit Reproduktionstechnologien beschäftigt, habe selber ja auch erfahren, was es bedeutet, ein Kind mit IVF zu bekommen. Und obwohl das denn eine sehr schwere Zeit war, war es irgendwie auch für mich die ganze Zeit total klar, wie privilegiert ich darin war, so als weiße CIS-Frau, von der eigentlich alle wollten, dass sie sich reproduziert. Also es war von Anfang an keine Frage. Ich hatte die Unterstützung von allem. [5:24]IVF, also In-Vitro-Fertilisation, ist eine Methode der assistierten Befruchtung, bei der Ei- und Samenzelle im Labor zusammengebracht werden. Der dabei entstandene Embryo wird anschließend in den Uterus übertragen. Für viele Menschen mit Kinderwunsch ist das ein anstrengender, emotional aufgeladener Prozess und nicht alle haben überhaupt Zugang dazu. In Deutschland übernimmt die Krankenkasse nur teilweise die Kosten und das auch nur für heterosexuelle verheiratete Paare. [5:55]Also die Formulierung ist, dass das Ziel der künstlichen Befruchtung die homologe Insemination ist. [6:07] Zugang zu Reproduktionstechnologien [6:03]Das ist wie der Taleo Stüwe, den du schon in der ersten Folge dieser Reihe gehört hast. Er hat die Draufsicht als Arzt, bringt aber auch viel Erfahrungswissen aus queeren Communities mit. [6:13]Und Homolog bedeutet, also jetzt so in dieser ganz klassischen Erzählung, dass die Eizellen der Frau mit den Samen von ihrem Mann befruchtet werden. Und Zugang zu diesem Verfahren mit Zuschüssen von der Krankenkasse haben dann auch nur Paare, die medizinisch als unfruchtbar gelten. Und das ist ja was, was queere Paare, also auch nicht alle, aber viele gar nicht erfüllen können. [6:38]Ja, viele queere Paare sind gleichgeschlechtlich, ihnen fehlen die Zutaten zum Kindermachen. Trotzdem gelten sie deshalb medizinisch nicht als unfruchtbar. Doch es gibt auch queere Paare, die alle Voraussetzungen mitbringen, um schwanger werden zu können. [6:54]Also tatsächlich ist mir jetzt vor ein paar Wochen das erste Mal eine Konstellation begegnet, wo diese Kostenzuschüsse mitgenommen werden können von einem queeren Paar. Und es ist ein verheiratetes Paar, eine Transfrau und ein Transmann, die dann ja quasi alle Zutaten, die es braucht für die Schwangerschaft in ihrer Paarbeziehung haben. Und die Transfrau hat, bevor sie mit Östrogen angefangen hat, Sperma eingefroren, eine Kryokonservierung gemacht. [7:22]Und die beiden halten aktuell ihre Personenstandsänderung zurück, also machen noch nicht diese juristischen Schritte, um mit dem richtigen Namen und dem richtigen Geschlecht in allen offiziellen Dokumenten aufzutauchen. Was ja eine total krasse Belastung im Alltag auch bedeutet, wenn auf dem Ausweis die ganze Zeit der falsche Name steht und so weiter. Aber machen das, weil sie so auf dem Papier gerade noch ein perfektes Heteropar sind, was eine homologe Insemination braucht, weil sie medizinische Gründe für die Unfruchtbarkeit haben. Und so können sie alle Zuschüsse mitnehmen. Und ich habe so gleichzeitig total gefeiert, als sie das erzählt haben, dass sie irgendwie diese Schlupflücher finden in dem System, was so queerfeindlich angelegt ist. Und andersrum habe ich auch gedacht, das ist doch absurd, dass sie das quasi auf sich nehmen müssen, weil sie finanziell die Mittel nicht hätten, dass sie in Kauf nehmen müssen, weiterhin mit falschem Namen, falschem Geschlechtseintrag irgendwie durch den Alltag zu gehen. [8:28]Was für ein krasses Beispiel. Zwei Transpersonen, die ihre Pläne unterbrechen müssen, um Zugang zu etwas zu bekommen, das für verheiratete Heteropare ganz selbstverständlich vorgesehen ist. Queere Paare bekommen diese Kostenübernahme also normalerweise nicht. So nach dem Motto, ihr wusstet ja von vornherein, dass ihr nicht die Zutaten für eine Schwangerschaft habt, ihr hättet ja auch mal eine Heterobeziehung haben können. Ja, aber so gibt es eben all diese finanziellen Nachteile und rechtlichen Wirrungen. Ich denke, weil Regenbogenfamilien nicht vorgesehen sind. Achso, und unverheiratete Heteros natürlich auch nicht. Die werden ja auch nicht unterstützt. Wenn ich mir genauer anschaue, was überhaupt unterstützt bzw. Erlaubt ist, bleibt es merkwürdig. Samenspenden? Ja klar, geht. Und Eizellentransfer? Verboten. Warum? Anfang der 90er wurde die Einführung des Verbots mit dem Argument der gespaltenen Mutterschaft begründet. Das Kind hätte ja dann zwei Mütter, also eine genetische Mutter, die Spenderin, und eine austragende Mutter, die Gebärnde, was angeblich zu Identitätsproblemen beim Kind führen könnte. [9:39] Eizellspende und ihre Probleme [9:40]Wissenschaftlich gesehen ist dieses Argument nicht haltbar. [9:43]Das ist ein total sexistisches Argument, [9:45]Sagt Gesellschaftswissenschaftlerin Jonte Lindemann vom Genethischen Netzwerk im Interview. [9:51]Wir haben dieses Argument so bei der Samenspende zum Beispiel nicht. Da fragt sich niemand nach einer gespaltenen Vaterschaft und was das denn psychisch mit einem Kind macht. Das ist völlig überholt, das ist patriarchal, das ist Unsinn und da liegt für mich auch überhaupt nicht das Problem. Das Problem, was ich sehe, liegt ganz woanders. Also wir haben diese sprachliche Analogie zur Samenspende und das ist meiner Ansicht nach sehr fehlgeleitet. An der Samenspende gehe ich, salopp gesagt, ich gehe in so eine Klinik, ich gehe in so eine sogenannte Wichskabine, ich kann einen Film gucken, dann gebe ich meinen Sperma in so einen Becher und dann gehe ich wieder nach Hause und das ist jetzt irgendwie körperlich jetzt nicht wahnsinnig herausfordernd, sage ich mal. Und eine sogenannte Eizellspende ist ein körperlicher Eingriff, das ist ein invasiver Eingriff, mit dem bestimmte gesundheitliche Risiken einhergehen. Da geht eine Hormonbehandlung voraus, weil normalerweise reift ja nur eine Eizelle pro Zyklus heran und diese Zahl will man sozusagen hochdrücken, damit es wahrscheinlicher wird, dass man am Ende eine Schwangerschaft hat. Und die Leute, die ihre Eizellen abgeben, sind in der Regel deutlich jünger und damit steigt auch das Risiko eines ovariellen Hyperstimulationssyndroms. Das ist selten, aber nicht so selten, dass es irrelevant ist und kann irgendwie von leichtem Unwohl sein, aber auch tatsächlich bis zu dem Versagen bestimmter Organen führen und ist gar nicht mal so harmlos. [11:17]Okay, das ist auf jeden Fall nicht zu unterschätzen. Das Verbot hier in Deutschland zielt auch darauf ab, dass niemand finanziell motiviert oder unter Druck Eizellen abgeben kann. Gleichzeitig werden in Deutschland tagtäglich Eizellen vernichtet, weil sie von den ursprünglichen BesitzerInnen nicht mehr gebraucht werden und das Gesetz eben jede Form der Spende oder Weitergabe untersagt, obwohl man damit anderen Menschen mit Kinderwunsch helfen könnte. Dazu eine Sprachnachricht. [11:44]Es ist so, dass ich schon sehr lange weiß, dass ich auf natürlichem Wege keine Kinder bekommen kann, da ich keine Eierstöcke mehr habe. Jetzt war es aber einfach so, dass in Deutschland die Gesetzgebung so ist, dass wenn man keine eigenen Eierstöcke hat, dass wir ins Ausland gehen müssen. Wir haben uns dann für Dänemark entschieden. Im Großen und Ganzen haben wir 10.000 Euro für einen Versuch ausgegeben. Und was halt ganz schlimm war, diese Klinik, mit der wir in Kontakt getreten sind, die ist pleite gegangen. Und insgesamt ist das Ganze dreimal passiert. Also das heißt, ich musste mich ganz oft wieder von Neuem erklären, warum ich was wie, warum habe. Und das Ganze war halt extrem belastend, weil ich hatte keinen richtigen Ansprechpartner. Ich habe mehrfach mich ja dann in diese Hormonbehandlung begeben müssen. Ich musste dann spontan immer wieder zum Ultraschall, um zu schauen, ob mein Körper halt bereit ist. Er war es jedes Mal nicht, was auch natürlich wieder ziemlich traurig und traumatisch war. Und dazu muss man auch noch sagen, ich hatte wahnsinniges Glück, [12:49]Dass meine Frauenärztin da so verständnisvoll und so offen war. Und zum Beispiel diese Ultraschalltermine, dafür hatte ich ja eigentlich gar keinen Grund, weil ich war ja überhaupt nicht schwanger. Und dadurch, dass das ja so illegal ist, dass ja selbst dass ganz viele Ärzte und Ärztinnen in Deutschland überhaupt nichts mit diesem Thema zu tun haben wollen, musste ich dann immer, wenn ich einen Termin gemacht habe, so eine Art Codewort sagen, dass die Sprechstundenhilfen quasi nicht involviert waren, aber wussten, dass die Ärztin irgendwas mit mir gedeichselt hat, damit ich dann den Termin bei ihr spontan bekomme. Also es war einfach immer nur maximal unangenehm. Ja, leider hat es auch nicht geklappt. Aber gut, das spielt jetzt hier erstmal keine Rolle. Aber so. [13:36]Puh, ja, an dieser Stelle, liebe SprachnachrichtlerInnen, tausend Dank fürs Teilen. Wie an dieser Geschichte zu hören ist, haben viele von euch ihr Vertrauen in meine Hände gelegt und sich krass geöffnet, auch schon in der ersten Folge. Mich hat das extrem berührt und ich muss auch einfach sagen, dass ich wirklich, wirklich stolz auf meine Community bin, ohne die diese verschiedenen Perspektiven rund um Feminismen unmöglich wären. Danke, danke, danke. Wir bleiben noch kurz beim Thema Eizeltransfer. [14:08]Wenn wir jetzt als Beispiel ein cis-lesbisches Paar haben und die haben einen gemeinsamen Kinderwunsch, die holen sich von extern einen Samen dazu von einer befreundeten Person oder über eine Samenbank, [14:20]Überlegt Taleo Stüwe im Interview weiter. Also zwei Frauen wollen ein Kind via Samenspende. [14:27]Und vielleicht hat die eine Person Lust, die Eizellen zu geben und die andere Person kann sich vorstellen, schwanger zu werden, dann finde ich, ist das ein homologer Eizelltransfer quasi. Also die Eizellen von der einen Partnerin werden benutzt, um eine Schwangerschaft im Körper der anderen herzustellen, um einen gemeinsamen Kinderwunsch zu realisieren. Das gilt im deutschen Recht aber eben auch als sogenannte Eizellspende. Und das, finde ich, ist nochmal ganz anders zu bewerten, Als wenn jetzt Eizellen von irgendeiner dritten Person, die gar keine Vorteile selber daraus hat, die nicht ihren eigenen Kinderwunsch umsetzt. Da muss man tatsächlich, finde ich, über gesundheitliche Risiken, Nebenwirkungen der Behandlung, sozioökonomische Gefälle müsste man über all das reden. Aber für so einen Transfer innerhalb von einer Wunschelternkonstellation, finde ich, müssten eigentlich andere Maßstäbe gelten. [15:23]Ich kenne so ein Trio, da wurde die Eizelle von Mama 1 mit dem Sperma vom Kovater befruchtet und Mama 2 hat das Kind ausgetragen. So waren alle beteiligt. Ging natürlich nur im Ausland. Deshalb, ein komplettes Verbot, das Menschen mit Kinderwunsch ins Ausland zwingt oder dazu führt, dass Eizellen einfach vernichtet werden, wirkte auf mich schon so ein bisschen aus der Zeit gefallen. Das Gunder-Werner-Institut, mit dem diese Trilogie entstanden ist, setzt sich aus Perspektive der reproduktiven Gerechtigkeit aber kritisch mit der vollständigen Legalisierung von Eizelltransfers auseinander. Warum? Weil der internationale Markt für Reproduktionsmedizin inzwischen ein riesiges Geschäft geworden ist. Vor allem Kliniken, Agenturen und Investoren verdienen daran. Aber nicht die Menschen, die ihre Eizellen abgeben oder als sogenannte Leihmütter beteiligt sind. Sie tragen das größte Risiko, bekommen aber nur einen Mini-Bruchteil des Gewinns. Das Gunder-Werner-Institut warnt daher, wenn man Eizellabgaben und Transfers vollständig legalisiert und das mit reproduktiven Rechten begründet, sollte ganz genau hingeschaut werden. Denn aus einer intersektionalen feministischen Sicht besteht die Gefahr, dass unter dem Deckmantel von Freiheit und Selbstbestimmung letztendlich Ausbeutung stattfindet. [16:44] Der Markt für Reproduktionsmedizin [16:45]Mehr dazu findest du in der Broschüre Reproduktive Gerechtigkeit vom Gunnar-Werner-Institut, die ich dir natürlich in den Shownotes verlinke. [16:52]Innerhalb der EU darf man dafür nicht entlohnen, aber es gibt eine Aufwandsentschädigung. Und zum Beispiel in Ländern wie Spanien, wo das legal ist, sind das irgendwie um die 1000 Euro pro Eizellabgabe. Und das ist in einem Land mit auch einer relativ hohen Arbeitslosigkeit unter jungen Menschen zum Beispiel. Das ist viel Geld. [17:08]Gibt Jonte Lindemann im Interview zu bedenken. [17:11]Da werden körperliche Risiken eingegangen. Jetzt kann man alles sagen, naja, mein Körper, meine Entscheidung. Ja, aber es gibt ein großes Interesse daran, weil das ein boomender Markt ist, diese Reproduktionstechnologien. Okay, die Leute kriegen diese Aufwandsentschädigung, aber so richtig Geld damit verdienen Klinikkonzerne. Und das ist eine Frage, die wir uns stellen müssen. Darf man eigentlich mit dem körperlichen Risiko anderer Menschen so viel Geld verdienen? [17:37]Da steckt unglaublich viel Geld drin. [17:40]Stimmt Amina Nollte vom Gunder-Werner-Institut mit ein und denkt dabei vor allem an alle, die sich als sogenannte Leihmütter zur Verfügung stellen. [17:48]Und es ist eben mittlerweile auch klar von dem, was wir so wissen an Daten, die Personen, die Leihmütter werden in Anführungsstrichen, sind oft Personen, die einfach auch in finanzieller Not sind und die darauf angewiesen sind, in gewisser Weise auch ihren Körper zur Verfügung zu stellen. Und das ist nicht immer so. Also wir können auch sagen, es gibt auch Personen, die das anderen Personen anbieten. Zum Beispiel Schwestern, Freundinnen, wie auch immer das irgendwie anbieten. Aber in den meisten Fällen passiert es auf einem Markt, auf einem Reproduktionsmarkt, der krass expandiert in den letzten Jahren, indem Reproduktionskliniken eben auch ganz viel Geld machen mit diesen Verfahrenen. Und in dem natürlich dann auch ein Interesse gibt, so dieses Bild zu pushen von, ihr könnt bis, keine Ahnung wann, 45 eigene leibliche Kinder kriegen und im besten Fall könnt ihr euch noch aussuchen, ob die blond sind. Also wenn wir es nicht individuell denken, sondern strukturell, dann ist es mit sehr vielen Problemen behaftet. Und dann machen es vor allem arme Personen oder Personen, die einfach oft schon eigene Kinder haben und um die durchzubringen, sich dann zur Verfügung stellen. Also es ist ganz wenig reguliert und eigentlich kann man ganz oft sagen, es ist auch ein Ausbeutungsverhältnis. [18:55]Zum Beispiel letztes Jahr war ich bei der Wish for a Baby. Das ist so eine Kinderbundschmesse, die jährlich in Berlin stattfindet und inzwischen auch in Köln. [19:04]Bastel dir dein Baby in zehn Schritten nur für eine Squillionen Euro, Jonte Lindemann berichtet. [19:11]Und da wird sehr klar, naja, Werbung gemacht, aufgeklärt über Angebote, die so in Deutschland nicht legal sind. Also zum Beispiel irgendwie ICL-Transfer, eine Leihschwangerschaft aus unterschiedlichen Ländern, Ukraine, Georgien, aber auch USA, Mexiko. Da sind ganz viele verschiedene Klinikkonzerne vertreten und da sitzen aber auch Leute und sagen, ja, wir begleiten sie total gut und wir machen aber auch alle Untersuchungen und im Paket ist das mit drin und diese und jene Präimplantationsdiagnostik und diese und jene, wenn sie sich dann für die Leihschwangerschaft entscheiden, Pränataldiagnostik, weil wir wissen ja alle, sie wollen ein gesundes Kind. Und wir haben damit auch eine Normalisierung von so Selektionsmechanismen. Das betrifft nicht nur Behinderung und Vorerkrankung, das betrifft auch die Auswahl der Personen, von denen die Eizellen kommen. Wir haben dann einen globalen Marken, das verläuft auch anhand von rassistischen Kriterien. Also dann haben wir eine Leihschwangerschaft, die in Ghana ausgetragen wird von einer schwarzen Frau. Aber die Eizelle, die soll bitte aus der Ukraine kommen, weil wir wollen ein weißes Kind. [20:13]Boah, da frage ich mich schon, ob wir das als Gesellschaft wirklich wollen können? [20:18]Ich finde das total die spannende Frage, die mich echt auch beschäftigt, so diese Frage von, wie weit darf ich eigentlich gehen, um einen Kinderwunsch zu erfüllen? [20:29]Stimmt auch Amina Neute vom Gunder-Werner-Institut in meine Frage ein. [20:33]Ich persönlich wäre wahrscheinlich auch sehr weit gegangen und das denke ich immer auch wieder, wenn ich dann nicht irgendwann doch schwanger geworden wäre. Wie weit wäre ich gegangen? Es wird ihr halt immer suggeriert, wenn das jetzt nicht klappt, dann kommt halt die nächste Option. Und da dann irgendwann selbst zu sagen in so einem System, nö, mache ich jetzt nicht mehr, finde ich strukturell scheiße. Weiß ich nicht, ob wir das von Menschen verlangen können. Und das ist halt auch das Schwierige, dass wir trotzdem ja auch alle Individuen sind mit unserem Leben und unseren... Bedürfnissen und Vorstellungen, die wir ja nicht immer darauf zurückbrechen, so das ist die Gesellschaft, die mich so geformt hat und ich bin jetzt ganz kritisch und mache das alles nicht. [21:10]In einer Stellungnahme für den Bundestag schreibt die Medizinethikerin Dr. Christiane Wiesemann, ein Recht auf ein Kind wie ein Recht auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall bei der Arbeit, das gibt es nicht. Niemand kann garantieren, dass du am Ende von welchem Prozedere auch immer ein Kind hast. Es entzieht sich dann eben doch unserer Kontrolle, oder? [21:32]Nach sehr vielen Jahren war ich schwanger und dann fängt ja eine ganz andere Maschinerie an. Dann muss man sich irgendwie plötzlich fragen, welche Untersuchungen will ich machen? Was will ich eigentlich wissen über diesen Fötus? [21:44]Ich erinnere mich noch gut an diese Fragen. Sobald ich mit Traubensaft in Schottgläsern auf meinen positiven Schwangerschaftstest angestoßen hatte, dämmerte mir, vielleicht renne ich nicht sofort zu meiner Gynäkologin, vielleicht ist dieser Beginn jetzt einfach nur mein Beginn, unser Beginn und ich warte noch etwas, bis ich mich ins System begebe. Und dann war ich aber doch zu scharf auf dem Ultraschallbild mit Pixelhaufen drauf, zu neugierig, um länger nichts zu tun und abzugünden. In den nächsten Monaten folgte immer schön Urin abgeben, Blut abnehmen lassen, Ultraschalle, Richtung Geburtstermin, dann ständig CTG, was die Wehen und die Herzfrequenz vom Baby mitschreibt. An einigen Stellen fiel es mir wirklich schwer, mich nicht nur noch wie eine Hülle von etwas zu fühlen, das irgendwelchen Mindeststandards entsprechen soll. [22:39]Denn es gibt sehr viele mögliche Untersuchungen in der Schwangerschaftsvorsorge. Und es kostet Kraft, sich dem zu entziehen, zu sagen, diese Untersuchung brauche ich nicht. Weil die Angst direkt um die Ecke wartet. Was, wenn ich ein Risiko eingehe, das ich hätte vermeiden können? Denn manche Tests machen ja total Sinn. Zum Beispiel können sie dabei helfen, die Geburt besser zu planen, wenn sich ein Herzfehler andeutet. Und dann gibt es noch Tests, bei denen es nicht um akute Krankheiten geht, sondern um genetische Veränderungen, wie zum Beispiel Trisomie 21, auch bekannt als Down-Syndrom. [23:15]Also es gibt verschiedene Möglichkeiten, auf zum Beispiel Trisomie 21 zu untersuchen, [23:21]Erklärt Jonte Lindemann vom Genethischen Netzwerk. [23:24]Über die Messung der Nackentransparenz, also das ist was, was sozusagen über den Ultraschall gemacht wurde. Dann gibt es noch die Amniozentese, also da haben wir eine Fruchtwasseruntersuchung Und wir haben jetzt seit einigen Jahren den nichtinvasiven Pränataltest. Da wird aus dem Blut der schwangeren Person sozusagen die DNA des Fötus herausgefiltert. Das wird untersucht. Das ist ganz klar kein Diagnostiktool, das ist eine Wahrscheinlichkeitsberechnung. [23:54]Der Bluttest, also der nicht-invasive Pränataltest, kurz NIPT, gibt also keine absolute Sicherheit. Und wenn er auffällig ist, folgt meist eine Fruchtwasseruntersuchung, mit dem Risiko, die Schwangerschaft zu verlieren. In dem Buch »Nicht nur Mütter waren schwanger« schreibt Mareike Kaiser über ihre Erfahrungen mit Pränataldiagnostik. Damals ist sie Mutter eines mehrfach behinderten Kindes und wieder schwanger. Sie und ihr Partner sind sich unsicher, ob sie ein weiteres behindertes Kind pflegen können und möchten die Fruchtwasseruntersuchung durchführen. Die Spritze ist bereit, der Bauch desinfiziert. In letzter Sekunde springt Mareike Kaiser von der Liege auf und bricht den Eingriff ab. Mittlerweile macht nicht mal mehr ein Prozent der Schwangeren die Fruchtwasseruntersuchung. Dagegen lässt knapp die Hälfte aller Schwangeren den Bluttest vornehmen, der seit 2022 von den Krankenkassen übernommen wird. [24:49]Wenn klar ist, ich kann mir ein Leben mit einem Kind mit zum Beispiel Trisomie 21 nicht vorstellen und ich würde dann einen Abbruch machen, dann ist es sinnvoll, diesen Bluttest durchzuführen und dann hat man irgendwie eine Wahrscheinlichkeit dafür. Dann kann man das noch invasiv abklären lassen mit einer Fruchtwasseruntersuchung und dann kann der Abbruch relativ früh in der Schwangerschaft noch gemacht werden. [25:13]Ergänzter Leo Stüwe. Er hat für seine Doktorarbeit mit mehreren GynäkologInnen über die Beratung werdender Eltern zur Pränataldiagnostik gesprochen und kennt das für und wieder. [25:24]Aber wenn ich quasi das Kind sowieso bekommen würde, dann muss ich diesen Test vielleicht auch nicht machen, weil gesundheitlich relevante Sachen kommen auch später in der Schwangerschaft raus, beim Ultraschall um die 20. Schwangerschaftswoche zum Beispiel. Und diese Dinge aber zu besprechen, weil das von der Kasse bezahlt wird, heißt das nicht automatisch, dass es medizinisch notwendig ist. Das sprengt, glaube ich, einfach sehr, sehr schnell den Rahmen von Praxisalltag. Das haben eigentlich durch die Bank alle, mit denen ich gesprochen habe, gesagt, dass da eh die Zeit eigentlich schon für die Basics nicht ausreicht und es auch nicht adäquat vergütet. Und das wissen wir ja, das Gesundheitssystem ist total profitorientiert inzwischen und niedergelassene ÄrztInnen sind darauf angewiesen, ökonomisch zu denken. [26:13]Das könnte dazu führen, dass werdende Eltern Tests machen, weil sie nun mal angeboten werden und nicht, weil sie eine bewusste Entscheidung dafür getroffen haben. Viele werdende Eltern machen diese Tests aber auch, um sich zu beruhigen. Sie möchten sich versichern, dass alles in Ordnung ist. [26:30]Als wenn ich eine geplante Schwangerschaft sozusagen eingehe, ist es eine Möglichkeit, dass das Kind behindert sein wird, weil Behinderung zum Leben dazugehört. Die meisten Behinderungen werden im Leben erworben. [26:42]Gibt Jonte Lindemann zu bedenken. [26:44]Also diese Sicherheit, die diese Tests suggerieren, das ist einfach auch eine falsche Sicherheit, weil Behinderung so nicht funktioniert. Behinderung ist viel, viel häufiger und entsteht sehr, sehr selten bereits genetisch. [26:56]Dennoch ist der Bluttest auffällig und die Fruchtwasseruntersuchung bestätigt zum Beispiel, dass Trisomie 21 vorliegt, entscheiden sich neun von zehn Schwangeren für einen Abbruch. [27:07]Das steckt auch ein ganz komisches Leistungsbild drin. Niemand wird verpflichtet, den Nipp zu machen. Niemand wird verpflichtet, sich nach einem auffälligen Nipp-Ergebnis für einen Abbruch zu entscheiden. Leute machen das aber. Und das hat mit dieser Logik zu tun. Das hat aber auch damit zu tun, dass es in unserer Gesellschaft verdammt schwer ist, ein behindertes Kind großzuziehen. Also mir geht es ja nicht darum, einzelne Schwangere für ihre Entscheidung zu kritisieren, sondern da ist eine gesellschaftliche Struktur, die behindertenfeindlich ist, Und die begünstigt und im Zusammenspiel mit Tests wie dem NIPT dazu führt, dass Leute sich gegen diese Kinder entscheiden. Also in dem Moment ist es ein Fötus. Ich bin sehr, sehr klar für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch. Aber bei der Entscheidung geht es dann eben nicht darum, ob man eine Schwangerschaft möchte oder nicht oder ob man Kinder haben möchte oder nicht, sondern es geht darum, ob man bestimmte Kinder haben möchte oder nicht. Und es geht sehr klar um die Vorstellung von, wie soll mein Kind sein? [28:04]Also ich meine, das ist ja schon lange so, dass ganz viele behinderte Menschen gar nicht mal geboren werden, um es mal so salopp zu sagen, einfach weil so viel stattfindet, um es zu verhindern. [28:14]Stimmt Amina Neute mit ein. [28:16]Und dass halt Eltern, die behinderte Kinder kriegen, auch ganz oft den Vorwurf kriegen, ja ihr hättet sie ja nicht bekommen müssen. [28:21] Behinderung und Gesellschaft [28:22]Also dass wir einfach in so einer krass ebilistischen Gesellschaft leben. [28:25]Und wenn man sich mal die Kommentarspalten unter Beiträgen zum nicht-immensiven Pränataltest anguckt im Internet, dann sagen Leute da durchaus solche Sachen wie, naja, aber wenn die das hätten wissen können, dann ist das ja deren Entscheidung und dann sehe ich ja nicht ein, warum denn der Steuerzahler sowas wie eine Schulassistenz bezahlen soll, weil das wäre ja vermeidbar gewesen. [28:44]Was hier passiert, kennen wir schon von so vielen Problemen, die kaum noch als Gesellschaft gelöst werden. Das Problem ist, dass die Gesellschaft behindertenfeindlich ist? Die Lösung? Dann mach doch einfach alle Tests dieser Welt und bekomm kein behindertes Kind. In Mareike Kaisers Bericht im Buch Nicht-Nur-Mütter-Waren-Schwanger kehrt sie nach drei Tagen Bedenkzeit in die Praxis für Pränantaldiagnostik zurück und lässt die Fruchtwasseruntersuchung durchführen. Sie verliert den Fötus nicht und erfährt nach drei langen Wochen, dass er nicht behindert ist. [29:18]Sie schreibt, Bis heute weiß ich nicht, was ein anderes Ergebnis für uns bedeutet hätte. Ich weiß nur, dass man Entscheidungen nicht beurteilen kann, die man selbst nicht treffen muss. [29:30]Nur der kleinste Teil der Behinderungen kann durch Pränantaldiagnostik erkannt werden. Denn wie Jonte Lindemann schon meinte, die meisten Behinderungen kommen im Leben dazu. Die Gesellschaft kommt also gar nicht daran vorbei, inklusiver zu sein. Denn behinderte Menschen werden immer existieren und haben reproduktive Rechte. Vielleicht erinnerst du dich noch an Jontes Geschichte aus dem ersten Teil dieser Serie. Auf einer Städtereise für junge Erwachsene mit Behinderung kam es zu einvernehmlichem Sex zwischen zwei Mitreisenden. Allerdings hatten sie nicht verhütet und es war dann ein ziemliches Hin und Her, die Pille danach zu organisieren. [30:12]Dann haben wir versucht, das dann auch irgendwie mit dem Träger abzuklären und dann jemand aus dem Büro dann meinte, warum hatten die denn überhaupt Sex? Und ich dann so ein bisschen so war, also das ist ein Ferienangebot für erwachsene Menschen, ist das überhaupt nicht meine Aufgabe zu verhindern, dass die einvernehmlichen Sex haben? Also das war so ein Vorkommnis, wo ich dann irgendwie gedacht habe, wow, okay, es zeigt sich einfach daran so, so, so, so viel, was schief läuft. [30:38]Wir können nur mutmaßen, was gewesen wäre, wenn die Person schwanger geworden wäre. Jontes Erfahrung zeigt aber. [30:44]Das ist total absurd. Nichtbehinderten, weißen, Mittelschichts-Cis-Frauen wird ja, also wenn man ungewollt schwanger ist, dann soll man doch bitte, bitte doch dieses Kind kriegen. Und bei behinderten Frauen wird dann doch tendenziell, wenn sie dann mal schwanger sind, doch eher zum Abbruch geraten. Wir haben immer noch Eingriffe in Verhütung, mangelnde Aufklärung und auch ein Absprechen von Sexualität und aber eben auch dem Recht auf Elternschaft. Obwohl das Recht auf Elternassistenz ist auch seit 2018 ganz, ganz explizit im Bundesteilhabegesetz festgeschrieben. [31:21]Das heißt, Menschen mit Behinderung haben ein Recht darauf, sich Unterstützung zu holen, wenn sie Eltern sein möchten. Doch in der Umsetzung hakt es. Viele wissen nichts von ihrem Recht und dann ist es einfach aufwendig, wirklich an diese Unterstützung heranzukommen. Ja und leider ist es in Deutschland gar nichts Neues, dass die Rechte behinderter [31:43] Historische Ungerechtigkeiten [31:39]Menschen rund ums Kinderkriegen eingeschränkt oder sogar völlig missachtet werden. [31:43]Wir hatten im NS krasse Praxis von Zwangssterilisationen an behinderten Menschen, an Frauen. Psychisch erkrankten Menschen, an Menschen mit Suchterkrankungen, also alles, was sozusagen unter diesem, Achtung, ganz schreckliche Formulierung, das ist der Titel dieses Gesetzes, Gesetz zur Verhütung Erbkrankennachwuchses tatsächlich verhandelt wurde. Und dann haben wir aber, anders als bei anderen NS-Verbrechen, da tatsächlich das Problem in Deutschland, dass diese Praxis bis in die 1980er Jahre überhaupt nicht als Unrecht anerkannt wurde und dass tatsächlich auch Sterilisationen an behinderten Menschen gegen ihren erklärten Willen erst 1992 verboten wurden. Und auch danach ist Deutschland immer, immer wieder gerügt worden, weil noch bis Januar letzten Jahres gab es eine Ausnahmeregelung für als nicht einwilligungsfähig bezeichnete Leute sozusagen, dass dann trotzdem gegen deren Willen Sterilisationen vorgenommen werden konnten. [32:46]Es entstanden auch hier in Deutschland im Nationalsozialismus Eheverbote und Zwangssterilisationen für Romnia und Sinti Zer. [32:55]Ergänzt Svetlana kostet diesen historischen Exkurs um eine weitere Perspektive. Svetlana ist Berlinerin, hat soziale Arbeit studiert und war lange die Geschäftsführerin von Romani Pen, einem Verein für Romja und Sintitze. [33:11]Das heißt, vor dem Start des Nationalismus, also 1933 gab es bereits mindestens 30 verschiedene Forschungsstellen, die an unseren Menschen geforscht haben. Es gab es halt hinsichtlich der Reproduktion auch so absurde Fragebögen, die von Personen in der Unterschicht oder Personen, die Romane sprechen, kaum möglich war auszufüllen. Und anhand dieser Kriterien wurde dann einmal die Ehetauglichkeit, aber auch die Reproduktion entschieden. Das waren halt so Kriterien wie angeborener Schwachsinn, Leben in Wohnwagen und wenn diese Kriterien erfüllt waren, wurden Personen aus meiner Community einfach zwangssterilisiert. Also Gerichte haben das entschieden und dann aber auch wurden sehr viele Experimente an Personen, die entbunden haben, gemacht. [34:06]Als Reaktion auf die NS-Medizinverbrechen wurde 1947 das medizinethische Prinzip der informierten Einwilligung, informed consent, im Nürnberger Kodex festgehalten. Erst seitdem, also knapp 80 Jahre, gilt, medizinische Eingriffe und Forschung sind nur mit der freiwilligen und informierten Zustimmung der Patientin möglich. [34:32]Und nichtdestotrotz wurden nach 1947 in der ehemaligen Tschechoslowakei etliche Romnia zwangsterilisiert, ohne ihres Wissens, unter Druck. Und in ganz Europa leiden Romnia unter reproduktiven Ungerechtigkeiten. [34:49]Ein Beispiel ist Elena Gorolova, eine Romni aus der damaligen Tschechoslowakei. Bei der Geburt ihres ersten Kindes im Jahr 1989 wurde sie ohne ihr Wissen sterilisiert. So ging es vielen Romja. Doch Elena schwieg nicht. Sie sprach darüber, organisierte sich mit anderen und kämpfte viele Jahre lang dafür, dass der Staat dieses Unrecht anerkennt. Mit Erfolg. Seit 2021 gibt es in Tschechien ein Programm, das den betroffenen Frauen eine Entschädigung zuspricht. Ungeschehen macht es das Ganze natürlich trotzdem nicht. [35:24]Wenn wir jetzt heute aktuell gucken, kann ich aus meiner Perspektive als Romney sagen, dass ich besonders, als ich mich wissenschaftlich mit dem Thema befasst habe, immer mehr gemerkt habe, ja, das, was ich erfahre, ist reproduktive Ungerechtigkeit. Ich bin Mutter von sechs Kindern und habe oft erlebt, dass meine Kinder nicht willkommen waren. Ich habe oft gedacht, es liegt an mir oder es liegt an meinen Kindern, bis ich es irgendwann begriffen habe, dass es ein kollektives Problem ist, dass es ein gesellschaftliches Problem ist. Und mir hat das Konzept sehr gut geholfen, all den Rassismus und Klassismus [36:06] Rassismus und Mutterschaft [36:01]und Sexismus, den ich während meiner Mutterschaft, Elternschaft durchgemacht habe, zu benennen. Und explizit die Stereotype, die gegen schwarze Frauen mit Sternchen genutzt wurden, sind, würde ich sagen, genau die gleichen wie bei uns Rom. Ja, und sind jetzt also einmal die schlechte Mutterschaft, die uns unterstellt wird. Ein Obhutname passiert ganz schnell und hypersexualisiert zu sein, also exotisiert zu sein, etc., etc. [36:30]Leider hört es an dieser Stelle nicht mit den Gemeinsamkeiten auf. [36:33]Teilweise wurden People of Color in den USA ja ohne ihres Wissens sterilisiert. Das heißt, während der Geburt haben sie irgendwelche Formulare unterschrieben, die sie teilweise nicht verstanden haben, weil es nicht in der Sprache war, aber auch teilweise unter Druck und unter List, kann man so sagen, wurde dafür gesorgt, dass sich hier nicht reproduziert wird. [36:57]Auch in Peru wurden vor allem in den späten 1990er Jahren und frühen 2000er Jahren zwangssterilisiert. Insbesondere indigene Frauen aus armen ländlichen Regionen waren betroffen. Die dänischen Behörden sind verantwortlich dafür, dass in den 1960er und 70er Jahren mehr als 4000 GrönländerInnen im gebärfähigen Alter ohne ihr Wissen die Spirale eingesetzt bekommen haben. Und in Brasilien gab es auch in jüngerer Zeit mutmaßliche Fälle von Zwangssterilisationen. [37:26]Während der Versklavung, wenn es für UnterdrückerInnen vom Vorteil war, versklavte Frauen auszubeuten und auszudrücken wie durch schwere Arbeit, wurden sie als geschlechtslos betrachtet. War es aber vom Vorteil, sie zu unterdrücken und auszubeuten, die nur auf Frauen zielte, wurden sie ausschließlich in ihrer weiblichen Rolle betrachtet. Das heißt, dass sie schon während der Versklavung kein Recht auf Mutterschaft, kein Recht auf Partnerschaft, kein Recht auf Beziehungen. Ihnen wurde die Kinder entrissen. Sie gar zu sehen oder sich um sie zu kümmern, war nicht möglich gewesen. Und all das wurde stets mit Stereotypen legitimisiert. Und so ging es halt im 20. Jahrhundert in der USA weiter. [38:09]Es ist kein Zufall, dass es schwarze Frauen und Queers waren, die sich in den 90ern in den USA verbündeten und reproduktive Gerechtigkeit erstmals großdachten. Sie setzten damit einen bewussten Gegenentwurf zur Pro-Choice-Bewegung, die vor allem die Perspektiven weißer, privilegierter Frauen berücksichtigt. Ihre Vision war breiter. Sie wollten gerechteren Zugang zu allen reproduktiven Rechten, eine sichere Versorgung während der Geburt und bessere soziale Bedingungen, damit ein Leben mit Kindern überhaupt möglich ist. [38:43]Themen, die damals total zentral waren, waren zum Beispiel Langzeitverhütungsmittel. [38:48]Das ist Antea Kiere. Sie ist Antidiskriminierungsberaterin und hat sich im Studium wissenschaftlich damit auseinandergesetzt, wie reproduktive Gerechtigkeit auf Deutschland übertragen werden kann. Und sie hat über Rassismus in der Geburtshilfe geschrieben. [39:04]Das war in den 90ern in den USA ein großes Thema. Also es wurde damals so ein Verhütungsimplantat entwickelt, das hieß Norplant und das ist so ein Stäbchen, was unter die Haut eingesetzt wird und in regelmäßigen Abständen so Hormone freisetzt. Und das bleibt dann so fünf Jahre drin und das wurde dann politisch so aufgeladen oder ausgestaltet, dass es vor allem eine Zielgruppe hatte, nämlich die sogenannte Underclass, ein vermeintlich neutraler Begriff, der eigentlich aber die schwarzen Communities in den USA meinte. Und wo auch zum Beispiel fast schon Zwangsmaßnahmen mit einhergingen, sowas wie, wenn du eine bestimmte Sozialleistung haben willst, dann musst du dir jetzt erstmal das Implantat einsetzen lassen. Und das war sozusagen eine krass gewaltvolle Maßnahme auch, um zu bewirken, dass die Geburtenrate in der schwarzen Community in den USA geringer wird. Und ich glaube 1996, 1997 wurde das dann auch aufgrund von vielen Protesten und den vielen Nebenwirkungen, die es gab, vom Markt genommen. [40:02]Immerhin, könnte man denken. Aber nein, die Geschichte geht noch weiter. [40:06]Und ist aber jetzt, ich glaube seit 2012, wieder auf dem Markt, jetzt unter einem anderen Namen. [40:17] Verhütung und Kolonialgeschichte [40:11]Und in der Form von, wir wollen reproduktive Rechte für die Frauen im globalen Süden bewirken. Und damit meinen wir aber Verhütung und zwar Langzeitverhütung, weil die Erzählung ist, wir müssen die Geburtenrate vor allem im globalen Süden senken. Und dahinter stehen natürlich auch aus so Kolonialgedanken heraus rassistische Gedanken, die ja wieder die Frage stellen, wessen Kinder sind erwünscht, auch auf einer globalen Ebene und wessen eben nicht. [40:38]Ganz vorne mit dabei ist die Melinda und Bill Gates Foundation, die zusammen mit dem deutschen Pharmakonzern Bayer genau dieses Hormonstäbchen mit all seinen Nebenwirkungen im globalen Süden verteilt. [40:52]Ich würde sagen, es spricht nichts dagegen, sich aus einer tatsächlich freien Entscheidung für diese formende Methode der Verhütung zu entscheiden. Aber man muss sich eben angucken, was für Machtdynamiken stecken dahinter, welche Zwangsmechanismen sind da vielleicht auch drin. [41:06]Wenn das Verhütungsstäbchen einmal unter der Haut sitzt, haben Frauen oft Schwierigkeiten, Ärztinnen zu finden, die es wieder entfernen. Zum Beispiel, wenn sie doch Kinder bekommen wollen oder die Nebenwirkungen zu stark sind. Antea berichtet, dass sie davon über den Verein Women in Exile auch von geflüchteten Frauen in Deutschland gehört hat. Viele von ihnen hatten sich vor der Flucht bewusst für das Implantat entschieden, um sich vor ungewollten Schwangerschaften zu schützen. Auch aus Angst vor sexualisierter Gewalt auf ihrer Fluchtroute. In Deutschland angekommen, ist es dann oft wie gesagt schwer, das Stäbchen wieder entfernen zu lassen. Schwarze Menschen in den USA, nahezu alle Menschen im globalen Süden, geflüchtete Menschen in Deutschland, sie werden behandelt, als wären sie das Problem. Und klar, reduziert man die Menschen, verkleinert sich auch das Problem. Ist klar. [42:03]Eigentlich müssen wir gucken, warum können bestimmte Personengruppen nur erschwert Jobs finden, die einen Lebensunterhalt tatsächlich sichern, anstatt zu sagen, na selber schuld, wenn du da hingekommen bist. Genau und diese individualisierte Verantwortungszuschreibung ist eben rassistisch unterfüttert, weil die Ausschlussmechanismen rassistisch sind. Also Rassismus im Bildungssystem benachteiligt schwarze Kinder oder BIPOC-Kinder im Allgemeinen. Es werden weniger Gymnasialempfehlungen ausgesprochen. Dann wird man auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert, dann findet man schlechter Wohnungen und das zieht sich ja sozusagen fort und diese Prekarisierung da drin, dann der Person als ein eigenes Versagen zuzuschreiben, verkehrt eben total diese gesellschaftlichen Probleme da drin. [42:50]Ich bin eigentlich kein Fan davon, zynisch zu werden, aber in dieser Folge fällt es mir wirklich schwer. Also die abgeklärten Kommentare liegen mir direkt auf der Zunge, einfach so aus Schutz vor der knallharten Info. Ich finde diese Dynamiken einfach so heftig und ich hatte wirklich keine Vorstellung davon, wie schwer es manchen Menschen gemacht wird, sich überhaupt für Kinder zu entscheiden. Wenn es dann doch mal zu einer Schwangerschaft kommt, gut zehn Monate vergangen sind und die Geburt ansteht, wie geht es weiter? [43:28]Es gibt inzwischen eine solide Studienlage dazu, dass Rassismus zu Diskriminierung und schlechter Behandlung im Gesundheitssystem führen. Und das ist auch konkret für Geburtshilfe schon nachgewiesen, also dass die Gefahr, Gewalt unter der Geburt zu erleben für Menschen, die rassifiziert werden, sehr viel höher ist. [43:51]Erzählt mir Talio Stüwe, der auch Mitglied vom Fortbildungskollektiv für sensible Geburtshilfe ist. [43:57]Ich muss sagen, dass ich mich in allen meinen Schwangerschaften, aber besonders Geburten, nicht gut aufgehoben gefühlt habe. Kann ich ganz klar sagen, dass die Folgen dessen auch nicht ohne sind. Der Schmerz sitzt tief. [44:12]Berichtet mir Svetlana Kostic passend dazu aus ihrer Perspektive als Romney. [44:16]Ich habe fünf verschiedene Krankenhäuser gehabt, in die ich entbunden habe, weil ich jedes Mal gedacht habe, vielleicht hast du dem nächsten Krankenhaus eine bessere Erfahrung. Der spricht von der ersten Geburt mit sehr viel Gewalt, wo der Arzt sehr, sehr gewaltvoll körperlich mir gegenüber wurde während meiner Entbindung. Bei meinem zweiten Kind erschien ich im Kreißsaal und dann hieß es, was, sie sind schon wieder da? Kann doch nicht wahr sein. Bei meinem dritten Kind wurde ich nach der Entbindung nicht auf der Station, wo die Neugeborenen kommen, gebracht. Die war voll. Ich wurde in die Onkologie mit meinem Kind gebracht, mit meinem neugeborenen Kind. [45:01]Die Onkologie ist übrigens die Krebsstation. [45:04]Und ich habe bei meinem dritten Kind gemerkt, die Atmung ist, irgendwas stimmt hier mit der Atmung nicht. Immer wieder. Und ich habe immer wieder die Ärzte gebeten, sie sollen sich mein Kind nochmal angucken. Und sie wollten immer nicht. Und irgendwann, als ich wirklich sehr hysterisch wurde, haben sie sich mein Kind angeguckt. Und dann habe ich es eine halbe Stunde verkabelt wiedergefunden. Und dann hieß es, eine halbe Stunde länger hätte mein Kind nicht überlebt. Ja, es musste in die Neonatologie-Station. Bei meinem vierten Kind bin ich ins Krankenhaus gegangen. Und die Hebamme war total überfordert. Sie hatte keine Zeit und hat mich auch angeschrien. Ich soll mich jetzt mal nicht so haben. Ich soll jetzt innerhalb ein paar Minuten entscheiden, wenn meine Schmerzen zu dolle sind. Ich soll mir die PDA nehmen oder nicht. [45:47]Eine PDA ist eine Betäubung im Rücken, die Schmerzen während der Geburt stark verringert. Aber sie braucht 10 bis 20 Minuten, um überhaupt zu wirken. [45:56]Ich habe mir dann die PDA setzen lassen. Ich war alleine, ich hatte Angst und habe aber nach einer halben Stunde entbunden. Also diese PDA war gar nicht medizinisch notwendig gewesen. Bei meinem fünften Kind wollte ich in der Wanne bleiben. Es war schön, es war gemütlich und dann hieß es, ich habe gleich Schichtwechsel und ich habe keine Lust danach, die Wanne zu putzen, raus mit ihnen. Und erst bei meinem sechsten Kind war es eine schöne Geburt und eine Geburt, wo ich gedacht habe, da kümmern sich Personen um mich. [46:38]Und so kenne ich es. Als ich mein Kind geboren habe, war es sicherlich eine Grenzerfahrung, aber es war meine Grenzerfahrung. Ich war gut betreut, konnte mitentscheiden, habe mich gehört und sicher gefühlt. Dass das nicht selbstverständlich ist, haben wir eindrücklich zu Ohren bekommen. Anthea Kiere hat sich wissenschaftlich mit Rassismus in der Geburtshilfe auseinandergesetzt und dafür mit Betroffenen gesprochen. [47:04]Alle sind sehr, sehr eindeutig darin gewesen. Rassismus in der Geburtshilfe gibt es. Der ist alltäglich, der kommt immer und überall vor, aber er ist total schwer greifbar und übelst subtil. Es braucht nicht unbedingt eine akute oder ein explizites rassistisches Ereignis, sondern das ist etwas, das ist omnipräsent und es ist immer da. Und als Betroffene müssen wir damit rechnen, dass es demnächst passieren kann. [47:32]Immer in Habachtstellung. Und das beim Gebären. Alter. [47:36]Und die eine Person hatte das auch beschrieben. Es ist wie so ein Stück glitschige Seife, die du nicht zu fassen kriegst. Es rutscht dir immer wieder aus der Hand und du kriegst es nicht ganz ausformuliert gegriffen oder so, aber es ist da und es stresst. Das System ist per se so ausgerichtet, dass es sehr schwierig ist unter den strukturellen Voraussetzungen, eine qualitativ hochwertige, bedürfnisorientierte Begleitung wirklich zu praktizieren. [48:02]Erfahre ich im Interview mit Iane Winkler. Zehn Jahre lang arbeitete Iane als Hebamme in Leipzig, außerhalb der Klinik. Heute forscht Iane dazu, wie gesellschaftliche Vorstellungen einer normalen Geburt die Gesundheitsversorgung beeinflussen. [48:19] Gewalt in der Geburtshilfe [48:19]Besonders für gebärende trans-, inter- und nichtbinäre Personen. [48:23]Wenn man dann in so einen Klinikalltag reinkommt, Ja, dann clash die Realität doch durchaus. Also es gab schon Situationen während der Ausbildung, wo ich Geburten erlebt habe, wo das Gesamtsetting so grenzüberschreitend war, dass ich mich danach erst mal auf der Personaltoilette kurz zurückziehen musste und heulen musste. Und da bin ich nicht die Einzige, da weiß ich, dass das keine individuelle Geschichte ist, sondern dass das durchaus viele Lernende betrifft. Und Klinik kam für mich aufgrund dessen nicht in Frage. [49:02]Der berufspraktische Teil in der Klinik gehört aber zum Hebammenstudium dazu. Aus dieser Zeit und aus den Gesprächen mit Menschen, die Iane vor und nach der Geburt betreut hat, weiß Iane sehr genau, wie es in den Kreisseelen zugeht. [49:15]Das Phänomen Gewalt unter der Geburt ist ja ein sehr komplexes Phänomen und ich würde immer dann von Gewalt sprechen, wenn im Prinzip die Selbstbestimmung einer Person nicht gewahrt ist. [49:30]Typische Beispiele, vor denen auch ich in meinem Geburtsvorbereitungskurs gewarnt wurde, sind ein Dammschnitt ohne vorherige Aufklärung oder auch die vaginale Untersuchung ohne vorher zu fragen. [49:41]Oder dass aufgrund der Herkunft durchaus Personen zugesprochen wird, dass sie es schwer haben, vaginal zu gebären und wahrscheinlich sowieso eine Bauchgeburt braucht. [49:53]Sowas wird sich dann zum Beispiel bei der Übergabe von einer Hebammenschicht zur nächsten erzählt. Die Patientin kommt da und daher und deshalb wird die Geburt so und so. Bauchgeburt ist übrigens ein anderes Wort für Kaiserschnitt. Der Gedanke dahinter ist, das medizinisch-technische von Kaiserschnitt in den Hintergrund zu rücken und zu verdeutlichen, dass eine Geburt durch Bauchoperationen genauso eine richtige Geburt ist wie eine vaginale Geburt. Doch zurück zu Iannes Erzählungen. [50:23]Oder dass sie eben besonders wehleidig sind und übertreiben und deswegen eben Schmerzmittel vorenthalten wird oder viel später gegeben wird. [50:33]Anteja Kiere erinnert sich an weitere Vorurteile aus ihren Gesprächen mit Betroffenen. [50:38]Ich habe zum Beispiel häufiger gehört, dass davon ausgegangen wird, dass schwarze Menschen besonders gut gebären können, weil sie zum Beispiel so gebärfähige Becken haben. Oder dass denen ein besonders irdisches Muttersein zugeschrieben wird, was dafür sorgt, dass sie das alles total gut und einfach können und auch gar nicht so viel Betreuung brauchen. Und ich glaube, dass das ganz konkrete Auswirkungen haben kann, nämlich zum Beispiel, dass man vielleicht zwei-, dreimal weniger oft hingeht, kürzer nachschaut, weniger nachfragt und dabei vielleicht was übersehen wird und vielleicht zu spät gehandelt wird, obwohl ein Bedarf da war. [51:14]Man könnte denken, es braucht doch nur Aufklärung. Doch selbst Hebammen, die wissen, dass Herkunft nichts mit Gebärfähigkeit zu tun hat, haben es schwer, es in der Praxis wirklich anders zu machen. [51:26]Ich habe ja auch mit Rassismus betroffenen Hebammen gesprochen, die Rassismus gegen Gebärende miterleben. Und auch da die Frage, wie spreche ich das unter meinen KollegInnen an? Ist das vielleicht ein Arzt, eine Ärztin, wo ich das Gefühl habe, Ich kann aufgrund dieses hierarchischen Gefüges im Krankenhaus gar nicht Kritik äußern. Ich glaube, das macht dieses Ansprechen auf ganz verschiedenen Ebenen ultraschwierig. [51:51]Das bestätigt auch Iane Winkler. Die Hierarchie in der Klinik ist knallhart, Veränderung fast unmöglich. Darum hat sich Iane entschieden, Gebärende außerhalb der Klinik zu betreuen, während der Schwangerschaft oder dann im Wochenbett. So eine freie Auswahl sollten Schwangere übrigens auch haben. Es ist Teil ihrer reproduktiven Rechte, frei wählen zu können, wo sie gebären möchten. Zu Hause, in der Klinik, im Geburtshaus, Hauptsache frei gewählt. [52:19]Ist das praktisch durchsetzbar? [52:22]Fragt Iane Winkler eher rhetorisch. [52:24]Wer hat welches Kapital, um sich in welchen Umständen auch wirklich frei für einen Geburtsort zu entscheiden? Wo wohne ich? Wie ist dort gerade die Versorgung? Dann ist es vielleicht zu spät, weil die strukturellen Rahmenbedingungen so gegeben sind, dass ich mich eben kurz vor Geburtstermin nicht mehr um eine Geburt im Geburtshaus kümmern kann und anmelden kann. [52:45]Der Kampf um die Geburtshausplätze, ja, ja. Am besten schon mal während der Zeugung anrufen und natürlich das Sparschwein bestücken. [52:53]Für eine Beleghebamme oder eine Hausgeburt oder Geburt im Geburtshaus bedeutet höhere Hebammkosten, die anteilig von Krankenkassen getragen werden, aber eben auch nicht vollständig. Und wer sich das nicht leisten kann, kann das halt nicht in Anspruch nehmen. Das ist erstmal eine Einschränkung vom Recht, den Geburtsort frei zu entscheiden oder frei zu wählen. [53:15]In Deutschland zeigt sich, Menschen, die Rassismus erleben, sind öfter armutsgefährdet als Menschen ohne solche Erfahrungen. Das heißt? [53:23]1 zu 1 Betreuung schützt vor Gewalt in der Geburtshilfe. Und wenn wir jetzt davon ausgehen, dass sozusagen die Personengruppe, die höher betroffen ist von Gewalt in der Geburtshilfe aufgrund von Rassismus, strukturell darin benachteiligt wird, sich davor zu schützen, dann ist das ein großes Problem. [53:42]Fast an Thea Kire treffen zusammen. Veränderungen aus dem System Klinik heraus sind also nicht so richtig zu erwarten und die Verantwortung auf Einzelne schieben wollten wir ja auch nicht mehr so oft machen. Welche Forderungen sollten wir dann auf die Straße zu Familien feiern oder gleich in den Petitionsausschuss vom Bundestag bringen? Iane Winkler. [54:08]Klar, eine flächendeckende gute Betreuung, guter Betreuungsschlüssel, bessere Bezahlung, wirklich Gewährleistung der 1 zu 1 Betreuung, auch im klinischen Setting, Abbau des Hierarchieverhältnisses zwischen den Berufsgruppen, wirklich wertschätzender Umgang für die jeweilige Expertise. Und ich finde, es sollte gängige Praxis sein, dass jede Geburt nachbesprochen wird. [54:34]Und es muss angegangen werden, dass Geburtshilfe momentan stark auf die Normgeburt [54:41] Forderungen für bessere Geburtshilfe [54:39]und auf Frauenbilder ausgerichtet ist. Denn wer davon abweicht, zum Beispiel queere oder mehrfach marginalisierte Personen, trifft häufig auf Personal, das dafür nicht ausgebildet ist. Taleo Stüve berichtet im Interview, welche Themen er in seinen Fortbildungen zu queersensibler Geburtshilfe anspricht. [54:58]Was wir immer ansprechen, ist auf jeden Fall das Thema Sprache und Lebensrealitäten und auch so ein bisschen so Haltungsfragen, also dass es gar nicht darum geht, bloß keine Fehler zu machen und das ganze Vokabular irgendwie top drauf zu haben oder so, sondern einfach in der Haltung eine Offenheit zu haben, nachzufragen, so ganz basic tatsächlich. Und dann haben wir so Inhalte zu den Möglichkeiten, schwanger zu werden, also insbesondere für Trans-Personen, Informationen zu Heiminseminationen, auch so DIY-Inseminationen, also einfach zu Hause mit privater Samenspende, mit sogenannter Bechermethode schwanger werden. Und aber auch zu so Themen wie induzierter Laktation und Co. Stillen. Also wenn nicht die Person, die das Kind geboren hat, stillen möchte, was in lesbischen Beziehungen zum Beispiel eine Option sein könnte. Oder auch wenn eine Transfrau Mutter wird, da kann man eben bestimmte Schritte gehen, um einen Milcheinschuss herbeizuführen bei Personen, die nicht schwanger waren. [56:06]Wie cool ist es? Das alles zu normalisieren würde doch so viel mehr Freiheit für alle bedeuten. Aber nochmal zurück zur Realität. Die Geburt liegt hinter uns. Unter anderem haben sich sogenannte Regenbogenfamilien offiziell vergrößert. Wie geht's weiter? [56:23]Ein gebärender Transmann hat keine Chance, als Vater in die Geburtsurkunde von seinem Kind eingetragen zu werden. Und alle Personen, die einen diversen Eintrag haben oder einen weiblichen Eintrag haben, die müssen immer noch über das Stiefkindadoptionsverfahren gehen. Also müssen ihr eigenes Kind adoptieren. Und das ist halt ein super aufwendiges Verfahren, was so sechs bis 18 Monate dauert im Schnitt. [56:50]Ja, das hat sich leider immer noch nicht geändert. Und manche dieser Regeln führen zu skurrilen Gedankenexperimenten. [56:58]Mir ist mal so aufgegangen, ich könnte Mutter und Vater gleichzeitig sein. Wenn ich ein Kind gebäre, werde ich als Mutter eingetragen. Wenn aber mein Partner ein Kind gebührt oder meine Partnerin, kann ich diese Elternschaft anerkennen, weil ich einen männlichen Personenstand habe. Und dann kann ich die Mutter rechtlich von dem einen Kind sein und der Vater rechtlich von dem anderen Kind. Und die Lösung ist ja so einfach. Also man könnte einfach von Elternteilen sprechen als juristisches Wording. [57:30]Doch das große Ziel bleibt die heteronormative Kleinfamilie. Also wenn dich all diese Regelungen zu Recht verwirren, immer daran denken, egal wie die Identitäten tatsächlich gelagert sind, am Ende ist die gebärende Person die Mutter und die andere Person ist der Vater. Und in diese Form muss ich einfach reingequetscht werden, weil, ach lass mir das, ich weiß es auch nicht. [57:56]Grundsätzlich würde ich mir auch wünschen, dass es auch die Möglichkeit gibt, mehr als zwei Elternteile zu haben, weil das nicht nur in queeren Konstellationen einfach die Realität ist von vielen Kindern. Den meisten Eltern, die ich kenne, geht es deutlich besser, je mehr Eltern es gibt, die nur wir sind. Natürlich nicht ohne Obergrenze, aber drei oder vier Leute zu sein, kann halt wirklich sehr entlastend sein. In Bezug auf die Care-Arbeit und auch in Bezug auf die Lohnarbeit, [58:24] Ausblick auf kommende Themen [58:22]die nötig ist, um das Leben zu finanzieren. [58:25]Das kann ich unterschreiben. In der nächsten Folge dieser Trilogie schauen wir deshalb darauf, wie Kinder in unserer Gesellschaft eigentlich aufwachsen können und welche Bedingungen es bräuchte, damit das auch unter gerechten Umständen passieren kann. Neostübe, Svetlana Kostic, Anthea Kire und Iane Winkler für ihre Einblicke und Expertise und vielen Dank an alle, die ihre Sprachnachrichten mit mir geteilt haben. Danke fürs Zitateinlesen an meine Schwester Antonia Vorsatz und ein besonderer Dank geht natürlich auch diesmal wieder an das Gunda-Werner-Institut der Heinrich-Böll-Stiftung, besonders an Amina Nollte, die du dieses Mal ja auch hören konntest. Amina und ihr Team organisieren übrigens auch das Reproductive Futures Festival am 21. und 22. November in Berlin. Kommt vorbei! Für mehr Infos rund um den Podcast folge mir auf Instagram. Feminismus mit Vorsatz Podcast ist das Handel oder abonniere meine Newsletter auf Substack. Ich verbleibe wie immer mit feministisch vorsätzlichen Grüßen. Tschüss!