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Folge 51 - Was Familien wirklich brauchen – und was ihnen fehlt
Feministische Perspektiven auf das Recht, Kinder unter gerechten Bedingungen aufwachsen zu lassen

Wie gerecht können Kinder in Deutschland aufwachsen? In der letzten Folge der Trilogie zu reproduktiver Gerechtigkeit geht es um das Recht, Kinder unter würdigen Bedingungen großzuziehen.

 

Wir sprechen über Armut und Klassismus, über Rassismus im Kinderschutz, über behindertenfeindliche Strukturen, über unsichere Aufenthaltsrechte und darüber, warum das Familienleben oft an Bedingungen geknüpft ist, die kaum jemensch erfüllen kann.

Mit Sophie Schwab, Ewniki Drakos, Anthea Kyere, Jonte Lindemann, Svetlana Kostić und einigen Sprachnachrichtler*innen schauen wir auf die große soziale Schieflage – und auf eine Vision, in der die Gesellschaft die Rechte von Kindern wirklich ernst nimmt.

Diese Folge ist eine Kooperation mit dem Gunda-Werner-Institut der Heinrich-Böll Stiftung. Du hörst die letzte Folge der Trilogie zu reproduktiver Gerechtigkeit.

51 - Was Familien wirklich brauchen – und was ihnen fehltLaura Vorsatz
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Shownotes zur Podcastfolge:

GWI: Broschüre zu Reproduktiver Gerechtigkeit​​​

Sophie Schwab vom Zukunftsforum Familie

Sanktionsfrei Studie zum Alltag mit Bürgergeld

Zahlen zur Zusammensetzung der Bürgergeldempfänger*innen

Jonte Lindemann

Gesellschaftswissenschaftler*in

Mitglied beim Gen-ethischen Netzwerk

 

Mareice Kaiser: Alles inklusive [buch7]

 

Anthea Kyere: Kämpfe verbinden. In: Loretta J. Ross/ Kitchen Politics (Hg.): Mehr als Selbstbestimmung! Kämpfe für reproduktive Gerechtigkeit [buch7]

 

Zahlen zur Inobhutnahme durch das Jugendamt von migrantisierten Kindern und Jugendlichen

https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-965496

https://jugendhilfeportal.de/artikel/anstieg-der-inobhutnahmen-von-kindern-und-jugendlichen-im-jahr-2023 

 

Ewniki Drakos von Frauenkreise Berlin über das Projekt Space2grow

Lea Ulmer: Durchkreuzte Familien

weiterführendes Interview zu rassistischen Inobhutnahmen durch das Jugendamt

Svetlana Kostić: Reproduktive Gerechtigkeit aus der Perspektive von Rom*nja und Sinti*zze

 

Each One Teach One (EOTO): Monitoringbericht zu Anti-Schwarzem Rassismus 2024 [PDF]

Folgen vorzeitiger Entfernung der Eierstöcke

Zahlen zur Entfernung von Uterus und/oder Eierstöcken

Feminismus mit Vorsatz Livepodcast am 28.11. in der Kulturfabrik: https://kulturfabrik-moabit.de/28-11-festival-kufa-kill1-von-rap-bis-riot-grrrl-spoken-words-und-noise/ 

1000Dank an das Gunda-Werner-Institut der Heinrich-Böll-Stiftung für die Unterstützung, besonders danke ich Amina Nolte. Danke an Sophie Schwab, Ewniki Drakos, Anthea Kyere, Svetlana Kostić und Jonte Lindemann, wie auch allen Sprachnachrichtler*innen und der Zitateinleserin Antonia Vorsatz!

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Musik von slip.stream

Coverdesign: Svenja Limke

Titelmusik: Louis Schwadron

Transkript

Die Folge als Text!

Bitte beachte: Das Transkript wurde automatisch mit Auphonic erstellt und ist nicht perfekt.

[0:00] Diese Folge ist eine Kooperation mit dem Gunder-Werner-Institut der Heinrich-Böll-Stiftung. Du hörst die letzte Folge der Trilogie zu reproduktiver Gerechtigkeit. Speaker0: [0:33] Das ist Feminismus mit Vorsatz, der Podcast rund um feministische Perspektiven mit mir, Laura. Elternteil zu sein fühlt sich manchmal an, als würde ich zwischen zwei Sprachen übersetzen, die ich selbst kaum verstehe. Da ist auf der einen Seite mein Kind, ich ahne, was in ihr vorgeht, aber hundertprozentig sicher bin ich mir nicht. Und auf der anderen Seite steht die Welt, ebenfalls ziemlich widersprüchlich und oft schwer zu begreifen. Speaker0: [1:02] Und ich halt so dazwischen. Meinem Kind sage ich, hallo, herzlich willkommen. Ich weiß, es ist verrückt, aber hier leben wir nun mal und kommen irgendwie zurecht. Und in Richtung Welt bitte ich ihn ständig darum, dass es sich von ihrer besten Seite zeigt. Doch unsere Lebenswelt ist größtenteils für berufstätige, weiße und nichtbehinderte Männer gemacht. Und die Bedingungen für Kinder sind oft schlecht, weil Kinder schlicht nicht mitgedacht werden. Für mich fühlt sich das dann so an, als müsste ich das ausgleichen. Da hänge ich dann so zwischen Kind und Umwelt und versuche auszubalancieren, was schon viel zu lange schief hängt. In dieser Folge schauen wir genau hin. Inwiefern ist es überhaupt möglich, Kinder unter gerechten Bedingungen großzuziehen? Wir sprechen über Armut und die sozialen Bedingungen, die Elternschaft so unterschiedlich schwer machen. Wir schauen auf das Leben mit behinderten Kindern, auf Rassismus im Kinderschutz und hören, womit sich schwarze Eltern in Deutschland tagtäglich auseinandersetzen müssen. Wir sprechen über das Recht, so viele Kinder zu haben, wie man möchte und wann dieses Recht anscheinend an Grenzen stößt. Und natürlich fragen wir uns, wie kann es besser werden? Wie kann Sorgearbeit, also all das kümmern, pflegen, erziehen, endlich denselben Wert bekommen wie Lohnarbeit? Und was braucht es, damit Familien wirklich angstfrei leben können? Speaker0: [2:28] Willkommen beim dritten und somit letzten Teil der Trilogie rund um reproduktive Gerechtigkeit. Speaker2: [2:34] Indem wir alle Kinder gleich behandeln, egal wie das Elternhaus aussieht. Speaker0: [2:40] Beschreibt Sophie Schwab vom Zukunftsforum Familie ihre Vision einer kinderfreundlichen Welt. Das Zukunftsforum Familie, kurz ZFF, setzt sich für eine solidarische, vielfältige und gerechte Gesellschaft ein und denkt den Familienbegriff dabei groß. Für das ZFF ist Familie dort, wo Menschen verbindlich füreinander Verantwortung übernehmen und Sorge tragen. Speaker2: [3:04] Und ihnen allen auch gönnen, dass sie glücklich und stark und mutig in dieser Gesellschaft aufwachsen. Weil sie werden Probleme haben, da brauchen wir viele starke Menschen, die die Herausforderungen wuppen, die wir ihnen vererben. Speaker0: [3:19] So viel also erstmal zur Zielsetzung. Alle Kinder gleich behandeln, unabhängig vom Elternhaus. Doch die Realität sieht oft anders aus. Speaker1: [3:29] Ich arbeite als Grundschullehrerin und da nehme ich schon stark wahr, dass es natürlich ganz unterschiedliche Elternhäuser gibt und dass halt Kinder dementsprechend auch unterschiedlich stark unterstützt werden. Das sagt ja auch zum Beispiel die PISA-Studie, dass es halt gerade in Deutschland der Erfolg der Kinder extrem abhängig von dem Elternhaus ist, Also von dem Wie viele Bücher die zum Beispiel zu Hause haben, was für einen Bildungsstand die Eltern haben, wie viel Geld da ist und das finde ich schon super schade und erschreckend immer wieder aufs Neue, wie wenig Chance manche Kinder da haben. Speaker0: [4:12] Genau das bestätigt Sophie Schwab vom Zukunftsforum Familie. Besonders Armut prägt das Familienleben extrem. Leben. Speaker2: [4:19] Lebensmittel werden immer teurer und Gemüse erst recht. Und wenn man eine ausgewogene Ernährung liefern möchte, dann braucht man Geld. Zum Beispiel geben viele Erwachsene und viele Eltern vor allem an, dass sie zugunsten ihrer Kinder auf eigene Bedürfnisse verzichten, damit sie bis zum Ende des Monats noch abends ein warmes Essen auf den Tisch bringen können oder dass eben in der Schule die Brotdose nicht leer bleibt am nächsten Tag. Speaker0: [4:45] Sophie bezieht sich dabei auf eine Studie, die sanktionsfrei dieses Jahr veröffentlicht hat. Der Verein hat über 1000 BürgergeldempfängerInnen befragt und herausgefunden, dass über die Hälfte der Eltern zugunsten ihrer Kinder auf Essen verzichten. Bei einem Regelsatz von monatlich 563 Euro wundert das nicht, aber die Vorstellung, dass Menschen in Deutschland nicht satt werden, ist schon ziemlich absurd. Speaker2: [5:11] Ansonsten haben wir Beispiele von, das sind ja häufig die Mütter, die dann zum Elternabend gehen, die dann von Scham berichten, wenn plötzlich der Geldbeutel rumgereicht wird, weil man ein Abschiedsgeschenk für die Klassenlehrerin kaufen möchte und man es aber einfach weitergeben muss, weil einfach diese ein, zwei Euro nicht da sind. Und diese permanente Mangel, was das auch schon mit Kindern macht, also wenn jeder Cent drei, vier, fünfmal umgedreht werden muss, wenn Thema Urlaub nicht mehr in Urlaub gefahren wird und das klingt wie ein Privileg, oh mein Gott, man kann jetzt nicht mal in Urlaub fahren, aber das ist existenziell für ein Familienleben. Speaker0: [5:48] Das kann ich absolut bestätigen. Urlaub ist das, was Erinnerung schafft, was das Jahr einteilt, wenn wir zurückschauen. Mit Kindern sicherlich nicht immer so erholsam, wie erhofft, aber mit viel Zeit fürs Einfachmal existieren, ohne in Zeitplänen funktionieren zu müssen. Für vertraute Momente und gemeinsame Abenteuer, die zusammenschweißen. Speaker2: [6:10] Alle kommen nach den Sommerferien in die Schule und alle berichten, ja, ich war irgendwie segelnd in Kroatien, ich war auf einem Bauernhof in der Provence oder noch weiter weg. Und dann sitzen aber ein paar Kinder da und können nichts erzählen, waren nicht mal auf dem Campingplatz ein paar Dörfer weiter. Also das sind Kleinigkeiten, die sich aber, wenn sie tagtäglich von Anfang an des Lebens sind, tief in ein Selbstbewusstsein eingraben und auch etwas mit uns machen. Und diese Scham ist ja nicht nur gefühlt, sie wird ja auch von der Gesellschaft ausgelöst durch Verhalten, also von Nase rümpfen, Augenbraue heben, entsetzt gucken, weil die Kinder jetzt zu kleine Klamotten tragen, weil das Kind gerade eine Wachstumsphase ist, man eigentlich alle drei, vier Monate neue Klamotten, neue Schuhe kaufen müsste, aber nicht hinterherkommt, weil das Geld nicht reicht und man dann einfach wirklich Stigmatisierung auch erlebt in unserer Gesellschaft. Speaker0: [7:07] Das bestätigt auch die Studie von Sanktionsfrei. 42 Prozent der Befragten schämen sich, Bürgergeld zu bekommen, 74 Prozent sagen zugleich, sie würden gerne arbeiten. Doch viele haben wenig Hoffnung, einen Job zu finden, der wirklich genug Geld zum Leben bringt. Speaker0: [7:24] Trotzdem werden Menschen, die Bürgergeld beziehen, immer wieder zu Sündenböcken gemacht. In Talkshows und Schlagzeilen tauchen die immer gleichen Klischees auf, faul, betrügerisch oder angeblich Teil von Sozialtourismus. Die Zahlen dagegen sprechen eine ziemlich klare Sprache. Von den rund 5,5 Millionen BürgergeldempfängerInnen könnten nur 1,7 Millionen arbeiten, viele haben aber keine passende Ausbildung oder gesundheitliche Probleme. Und rund zwei Millionen Menschen arbeiten bereits, sie pflegen Angehörige. Als tatsächliche Totalverweigerer gelten nur 0,4 Prozent. Und dann sind da noch 1,8 Millionen Kinder und Jugendliche, die Bürgergeld beziehen. Insgesamt betrifft Armut aber weit mehr Kinder. Sophie Schwab spricht von rund drei Millionen Kindern, die aktuell in Armut leben. Drei Millionen! Das heißt, in jeder Schulklasse, in jeder Kita-Gruppe sind gleich mehrere Kinder, deren Familien nicht wissen, wie sie über die Runden kommen sollen. Das wirkt sich auf die Bildungschancen aus, aber auch auf die medizinische Versorgung und sogar die Lebenserwartung. Denn Menschen, die in Armut leben, sterben statistisch früher als Menschen mit gesicherten Einkommen. Speaker2: [8:37] Ein zentraler Baustein, über den wir jetzt noch gar nicht so gesprochen haben, ist, dass wir den gesellschaftlichen Zusammenhalt wieder stärken müssen und dass es eben dieses Gebäsche von Menschen mit Armutserfahrung aufhört, sondern dass wir wieder Solidarität erleben, dass wir sehen, es gibt Menschen, die einfach ein bisschen mehr Unterstützung brauchen und dass man da nicht jeden Cent umdreht und die Regelsätze kleinrechnet, Sondern dass wir im besten Fall gar keine Regelsätze mehr bräuchten, weil die Arbeit so gut entlohnt ist und die Arbeitsbedingungen so fair sind, dass eben die Menschen, die arbeiten wollen und können Erwerbsarbeiten, dann auch einen guten Lohn haben. Speaker0: [9:15] Und da stellt sich die Frage, welche politischen Antworten gibt es? Es gab ja mal so eine verrückte Idee namens Kindergrundsicherung. Die stand im letzten Koalitionsvertrag der Ampelregierung. Die Idee ist simpel. Alle Kinder bekommen einen festen Grundbetrag, ähnlich wie das Kindergeld. Und zusätzlich sollte es einen Aufschlag geben, der davon abhängt, wie viel Geld die Familie verdient. Das heißt, wenn wenig Einkommen da ist, gibt es noch was obendrauf. Doch Konflikte innerhalb der Koalition und Streit über die Finanzierung führten dazu, dass es bis heute keine Kindergrundsicherung gibt. Im aktuellen Koalitionsvertrag steht sie nicht mal mehr drin. Speaker2: [9:55] Ich hätte ja gedacht, für Kinder kriegt man sowas hin. Speaker0: [9:59] Kommentiert Sophie Schwab dieses Desaster. Speaker2: [10:01] Für Kinder rauft sich die Gesellschaft zusammen und kann diesen politischen Willen aufbringen. Aber selbst für Kinder wird Armut nicht gern abgeschafft. In einem kapitalistischen System brauchen wir arme Menschen, um Angst weiter zu schüren, um die Abstiegsgefahren darzustellen. Speaker0: [10:20] Und da sind wir auch schon am Kern ein Übels angelangt. Denn wo kommen wir denn hin, wenn niemand mehr Angst vor dem angeblichen sozialen Abstieg hat? Denn wer kennt es nicht? Eigene Grenzen werden überschritten, angeblich vernünftige Entscheidungen werden gefällt, um ja dem Drohszenario des Verlumpen unter der Brücke zu entgehen. Doch wie realistisch ist dieses Bild wirklich für die meisten Menschen in Deutschland? Armut erfüllt im Kapitalismus eine klare Funktion. Sie bewirkt, dass alle, die arbeiten, schön weiterarbeiten, auch wenn die Bedingungen unwürdig sind. Naja, und sie hilft den Reichen und Mächtigen, noch reicher und mächtiger zu werden. Genial! An Armut ist also niemand selbst schuld. Irgendjemand muss einfach arm sein, sonst kracht das ganze Kartenhaus zusammen. Der politische Wille, das zu ändern, fehlt. Denn die Lösungen sind ja da. Speaker2: [11:12] Das Geld wäre da, würde man es nur richtig verteilen in unserer Gesellschaft. Wir erleben, die Schere geht immer weiter auseinander. Reichtum in Deutschland nimmt zu. Er bündelt sich nur unter wenigen. Und trotzdem gibt es als ein Beispiel keine Vermögenssteuer. Speaker0: [11:28] Kindergrundsicherung oder auch ein Familienpflegegeld wären Ideen, wie man dieses umverteilte Geld sinnvoll ausgeben könnte. Denn gerade Familien, in denen gepflegt werden muss, sind armutsgefährdet. Eltern, die chronisch kranke oder behinderte Kinder pflegen, können kaum oder gar nicht Lohn arbeiten. Und weil das Pflegegeld kaum ausreichen kann, sind sie schnell im Bürgergeldbezug. Mit allen angesprochenen Nachteilen, die das so mit sich bringt. Im zweiten Teil dieser Trilogie hat Jonte Lindemann schon ausgeführt, welche Signalwirkung das unter anderem hat. Behinderte Kinder sollen vermieden werden. Einerseits, weil sie dem Staat Geld kosten. Andererseits, weil werdende Eltern um die Behindertenfeindlichkeit in unserer Gesellschaft wissen. Und dann kommt es ja auch sehr darauf an, wie mit auffälligen Testergebnissen in der Schwangerschaft umgegangen wird. Jonte? Speaker1: [12:19] Wenn den Leuten ein auffälliges NIPT-Ergebnis zum Beispiel mitgeteilt wird, wird ihnen das manchmal mitgeteilt von Ärztinnen, als würde man ihnen irgendwie den Tod eines nahen Verwandten übermitteln. Speaker0: [12:28] Im schlimmsten Fall wird dann direkt zum Schwangerschaftsabbruch weitervermittelt, ganz ohne die Peer-to-Peer-Beratung bei Eltern, die bereits mit Kindern mit Behinderung leben, anzubieten. Das ist nämlich eigentlich so vorgesehen. Denn auch ich muss mich fragen, was weiß ich denn eigentlich wirklich über das Leben mit einem behinderten Kind? Im Buch Alles inklusive schreibt Mareike Kaiser genau darüber, über das Leben mit ihrer mehrfach behinderten Tochter. Und ja, es ist nicht einfach. Aber bei mir hat Mareikes Geschichte wirklich was verändert. Denn Greta, so heißt das Kind im Buch, ist in erster Linie ein Kind. Dass es Hilfe benötigt, nimmt viel Raum ein, ist aber eben auch nicht alles. Greta beglückt ihre Eltern, solange ihr Körper das zulässt. Und ein Leben ohne sie können sich Gretas Eltern kaum vorstellen. Mareike Kaiser beschreibt, wie Greta ihren Horizont erweitert, ihren Blick schärft, ihr neue Perspektiven eröffnet. Gretas größtes Talent ist, Menschen so zu lassen, wie sie sind. Für sie muss niemand etwas darstellen oder leisten, um gut zu sein. Einfach sein, das ist genug. Speaker2: [13:37] Ich definiere Wörter heute anders. Liebe ist nicht mehr mit Bedingungen verknüpft. Schönheit nicht mit äußerlichen Merkmalen. Glück ist nicht gleichbedeutend mit Gesundheit. Leben ist nicht das Gegenteil von Tod. Es ist kein Gegensatzpaar. Es gehört alles untrennbar zusammen. Speaker0: [13:57] Das Buch hilft, aus dem Schwarz-Weiß-Denken rauszukommen. Gleichzeitig wird umso deutlicher, dass das, was Mareike Kaiser wirklich fertig macht, der Kampf drumherum ist. Der Kampf um Unterstützung und Barrierefreiheit. Speaker1: [14:10] Du hast das wahrscheinlich nicht in der Schule gelernt. Ich habe das auch nicht in der Schule gelernt. Welches Recht auf Unterstützung man hat, wenn man ein behindertes Kind hat, wenn man ein grundkrankes Kind hat. Speaker0: [14:20] Gibt Jonte Lindemann im Interview zu bedenken. Und nein, ich weiß nichts über Anträge bei Krankenkassen, über Schulassistenzen oder Pflegegrade. Das sind Themen, die uns erst beschäftigen, wenn sie uns betreffen. Und dann haben wir keine Zeit mehr oder keine Energie für den großen Aufschrei, weil das alles so krass unfair ist. Mareike Kaiser beschreibt in ihrem Buch eine Utopie, die zeigt, wie das Leben mit behindertem Kind sein könnte. Ein Alltag voller empathischer FamilienhelferInnen in einer barrierefreien Genossenschaftswohnung mit inklusivem Schulangebot, bei dem das Lernziel Essen mit Löffel gleichwertig zum Lernziel Kurvendiskussion ist. Kleine Klassen mit vier bis fünf LehrerInnen und einem Familienberater, der nicht auf Anträge wartet, sondern Angebote macht. Braucht es einen neuen Rollstuhl? Habt ihr schon von dem inklusiven Ferienangebot in der Provence gehört? Noch sind wir weit davon entfernt, auch wenn Mareike Kaiser ihre Vision im Buch für das Jahr 2025 festgeschrieben hatte. Zumindest machen sich Vereine wie das Zukunftsforum Familie Gedanken, wie Pflegende finanziell besser abgesichert werden könnten. Ein erster Schritt. Sophie Schwab. Speaker2: [15:36] Es gibt verschiedene Ideen, was dieses Familienpflegegeld angeht, dass man das anlehnt an die Logik des Elterngeldes, also sprich diese Lebensstandardsicherung 65 Prozent des Nettoeinkommens. Wir haben uns jetzt aber gedacht, dass das eigentlich der falsche Ansatz ist, weil, stellen wir uns mal vor, Eine Mutter wird pflegebedürftig und sie hat zwei Kinder. Die Tochter ist bei KPMG Senior Manager und hat ein Top-Gehalt. Und der Bruder ist Putzkraft in einem großen Unternehmen und bekommt den Mindestlohn. Beide sagen, okay, ich mache ein halbes Jahr, bleibe ich vom Job zu Hause und kümmere mich um die Mutter. Das würde aber nach der Logik des Elterngeld bedeuten, dass die Putzkraft den Mindestsatz bekommt voraussichtlich und die KPMG-Managerin den Höchstsatz. Beide machen aber in dieser Zeit eigentlich die gleiche Arbeit. Also gehen mit zum Arzt, kümmern sich ums Einkaufen. Eventuell ist es schon Bedarf, dass man beim Waschen unterstützt oder Essen reicht und so weiter und so fort. Und wenn wir sagen, und das machen wir als ZFF, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, dann macht die Elterngeldlogik keinen Sinn. Speaker0: [16:43] Deswegen sollte das Familienpflegegeld einkommensunabhängig gezahlt werden. Meiner Meinung nach macht diese Logik ja auch beim Elterngeld keinen Sinn. Die Vorstellung, dieses erste Babyjahr mit dem Mindestsatz von 300 Euro pro Monat zu bestreiten, schwierig. Gleicher Lohn für gleiche Sorgearbeit wäre da schon mehr als angebracht. Speaker1: [17:03] Ich habe mich da viel mit dem Thema Elterngeld beschäftigt und wie das entstanden ist 2007. Speaker0: [17:09] Erzählt mir Anthea Kiere im Interview. Du hast dich schon in der zweiten Folge dieser Trilogie kennengelernt. Sie ist Antidiskriminierungsberaterin und wird im Laufe dieser Folge noch über schwarze Elternschaft sprechen. Speaker1: [17:20] Da fielen dann schon auch im öffentlichen Diskurs von PolitikerInnen Aussagen wie in Deutschland bekommen, die falschen, die Kinder. Und gemeint waren damit präkarisierte Menschen, die Sozialleistungen empfangen und das Ziel war, wir wollen, dass Menschen mehr Kinder bekommen, weil die Geburtenrate in Deutschland ist zu niedrig. Und dann kommt aber der Turn von wir wollen, dass vor allem AkademikerInnen Kinder bekommen und die bekommen mit diesem Elterngeld einen relativ guten Support mit 65 Prozent des vorherigen Einkommens vor der Geburt als Elterngeld ausgezahlt. Speaker0: [17:54] Ja, und das ist auch schon die Antwort, weshalb Familien mit wenig Einkommen wenig Unterstützung bekommen und Familien mit mehr Einkommen mehr, weil Politik dafür sorgt, dass manche Formen von Elternschaft als wichtiger oder besser gelten als andere. Mehr dazu in der zweiten Folge dieser Trilogie. Doch nicht nur prekär lebenden Menschen wird abgesprochen, Eltern sein zu können. Speaker1: [18:17] Ich habe sowohl Beratungsprozesse begleitet und mitbekommen von schwarzen Vätern, häufig in einem Kontext mit weißen Müttern und Jugendamt und Familiengericht, wo schwarzen Vätern einfach sehr stark vermittelt wurde, dass sie keinen Zugang zu ihren Kindern haben dürfen. Und häufig ist dann dieser Sorgerechtsstreit sehr rassistisch unterfüttert und sorgt dafür, dass schwarze Väter sehr auch ausgedrängt werden aus einer Vaterrolle. Und häufig endet das dann auch in sowas wie begleitetem Umgang. Also teilweise auch, weil sie Rassismus benennen, ihnen dann gesagt wird, ah naja, vielleicht ist die Person sowieso psychisch so belastet, dass sie gar nicht erziehungsfähig ist. Speaker0: [19:01] Davon abgesehen gibt es Erfahrungsberichte von schwarzen Müttern, denen die Kinder vom Jugendamt entzogen werden. Aus rassistischen Annahmen heraus. Speaker1: [19:09] In Obhutnahmen vom Jugendamt sollen ja eigentlich nur in der akuten Kindeswohlgefährdung passieren, weil das ist ein massiver Eingriff auch für das Kind und soll eigentlich ja nur bei sowas wie Missbrauch, krasse Vernachlässigung, Gewaltanwendung und sowas eingesetzt werden, sag ich mal. Speaker0: [19:28] Im Jahr 2022 hatten 44 Prozent aller Kinder, die in Obhut genommen wurden, mindestens ein Elternteil mit ausländischer Herkunft. Im Jahr darauf stieg diese Zahl weiter an, vor allem weil mehr unbegleitete Minderjährige nach Deutschland geflüchtet sind. Bisher sind es Hinweise, die darauf hindeuten, dass Familien mit Einwanderungsgeschichte häufiger in Kontakt mit dem Jugendamt sind als andere. Studien dazu gibt es noch nicht. Speaker1: [19:54] Es gibt aber einige Erfahrungsberichte und dass schwarze Eltern und vor allem Mütter davon berichten, dass NachbarInnen sich beschweren über verschiedenste Dinge, die Lappalien sind, die dann aufgebauscht werden zu, da ist eine Mutter, die keine Verantwortung übernimmt, die Kinder essen ganz wenig Gemüse. Und es gibt dann so krasse Bilder auch davon, wie gute Erziehung aussehen soll und wie gute Ernährung zum Beispiel aussehen soll. Und es gibt Mütter, die berichten, dass ihre Kinder von der Schule oder aus der Kita einfach mitgenommen wurden, ohne Information, ohne Einwilligung. Und sie seit Jahren dafür kämpfen, ihre Kinder zurückzubekommen. Speaker0: [20:34] Tief drin in derlei Geschichten ist Evniki Dracos von Frauenkreise Berlin. Im Projekt Space to Grow unterstützt FNIKI Mütter dabei, ihre Kinder wiederzubekommen. Speaker1: [20:45] Viele von den Fällen, die wir begleiten da oder die begleitet werden, sind gewaltbetroffene Mütter, die mit dem Jugendhilfesystem in Kontakt kommen. Und das ist so ungefähr die prekärste Tür, durch die man in dieses Thema reingehen kann. Speaker0: [21:00] Mit diesem Thema meint FNIKI die dritte Säule reproduktiver Gerechtigkeit. Kinder sollen in Würde und unter stabilen Bedingungen aufwachsen können. Doch genau das ist oft schwer, wenn Familien mehrfach belastet sind. Zum Beispiel durch Flucht, Gewalt in der Beziehung, Armut oder einem unsicheren Aufenthaltsstatus. Speaker1: [21:20] Beispielsweise haben wir eine Mutter aus Afghanistan, die Analphabetin ist, die sich von dem gewalttätigen Partner getrennt hat, die vier Kinder verloren hat durchs Jugendamt und die seitdem kämpft, die Kinder wiederzubekommen. Die Grundlage dessen, warum sie überhaupt in Obhut genommen wurden, ist weg. Also der gewalttätige Partner ist gar nicht mehr da. Aber das Jugendamt gibt ihr die Kinder nicht, weil sie ja total, sie ist ja mental gar nicht stabil. Aber warum ist sie denn mental instabil? Sie ist mental instabil, weil sie ein Trauma hat von der Gewalt, weil sie ein Trauma hat von diesem System hier, das ihr die Kinder weggenommen hat. Und als wir sie das erste Mal getroffen haben, haben wir alle geweint. Wir saßen einfach um einen Tisch herum und sie hat ihre Geschichte erzählt und wir haben alle Rotz und Wasser geheult. Weil es so ungerecht ist. Weil es einfach so ungerecht ist. Und weil sie emotional auf diese Ungerechtigkeit reagiert, wird sie als mental instabil dargestellt. Speaker0: [22:26] Ein Teufelskreis. Speaker1: [22:27] Mir hat ein Sozialarbeiter original im Jugendamt Reinickendorf am Telefon gesagt, es ist besser, dass die Kinder von dieser Mutter in den Pflegefamilien bleiben, weil sie ist Analphabetin. Wie soll diese Mutter ihre Kinder in der Schule unterstützen? Speaker0: [22:44] Ja, wie soll sie das machen in einer Gesellschaft, wo doch jede und jeder fürs eigene Glück verantwortlich ist? Es ist zum Verzweifeln. In einem wissenschaftlichen Artikel der Soziologin Lea Ulmer über rassistisch motivierten Kindesentzug beginnt der Text mit einer Szene, die ebenfalls sofort unter die Haut geht. Eine Mutter erzählt, beim letzten Besuch haben sie meinen Kindern gesagt, eure Mutter ist sehr arm. Auf diese Weise sollte den Kindern erklärt werden, warum sie nicht länger bei ihrer Mutter leben können. Speaker1: [23:18] Das Jugendamt findet, die Kleidung sei nicht angemessen. Entweder nicht altersgerecht oder zu kalt oder zu warm oder zu bunt oder zu traditionell, zu unangepasst. Dann Essen ist ein großes Thema in Deutschland. Welche Zutaten benutzt die Familie? Welche Gewürze benutzt die Familie? Zu welchen Zeiten ist die Familie? Essen sie mit Messer und Gabel oder essen sie mit den Händen? Also wirklich, das ist so eine Frechheit eigentlich. Oder natürlich auch, wann die Kinder ins Bett gehen. Es ist dann auf einmal ein Problem, dass die Kinder eben nicht um acht im Bett liegen, sondern vielleicht erst um zehn. Speaker0: [23:53] Dahinter steckt oft ein Vergleich mit eurozentrischen Maßstäben, also mit Vorstellungen davon, wie gute Erziehung oder richtiges Familienleben auszusehen haben. Diese gelten dann als Norm und alles, was davon abweicht, ist nicht gut. Speaker1: [24:09] Wir haben das Problem, dass das Kindeswohl nicht definiert ist. Was einerseits auch okay ist, weil sonst passiert etwas und da es nicht Teil eines Katalogs ist, kann man dann sagen, nö, das ist nicht Teil unseres Katalogs, also kann man es nicht behandeln. Da greift kein Schutz. Deswegen muss es einen Ermessensspielraum geben, das ist auch klar. Aber dieser Ermessensspielraum wird rassistisch ausgefüllt. Speaker0: [24:32] Bestimmte Speisen gelten pauschal als ungesund und selbst Mehrsprachigkeit, die eigentlich ein Gewinn ist, wird problematisiert. Speaker1: [24:41] Beispielsweise, wie spielen die mit ihren Kindern? Also wenn das Kind auf dem Boden spielt, setzen sie sich zu dem Kind auf den Boden, reden sie von oben. Und das kann unter Umständen den Unterschied machen. Weil dann die Mutter versäumt hat, sich zu dem Kind auf den Boden zu setzen, spielt sie nicht angemessen mit dem Kind. Liest sie dem Kind Gute-Nacht-Geschichten vor, was in Deutschland so wie so eine Art Standard ist. So wehe, als Eltern erlaubst du dir nicht, abends zum ins Bett gehen Gute-Nacht-Geschichten zu lesen. Das ist problematisch. Und wenn das dann zusammenkommt alles, dann wird das als Kindswohlgefährdung interpretiert. Speaker0: [25:21] Ich kann mir vorstellen, dass jetzt einige Elternteile inklusive mir zuhören und sich denken, Es ist unklar, ob ich diesen Jugendamt-Test bestehen würde. Aber das ist ja genau das Absurde. Es wird ja anscheinend nur bei ganz bestimmten Menschen so genau hingeschaut. Wie bei der Mutter aus Afghanistan, deren vier Kinder in Obhut genommen wurden. Wie erging es ihr noch? Speaker1: [25:42] Wir haben eine Anwältin mobilisiert, die netterweise auch den Fall kostenlos übernommen hat. Und sie hat zwei der Kinder wieder zu sich holen können, die beiden älteren Kinder, die auch immer noch die Sprache sprechen. Die beiden jüngeren Kinder sind in Pflegefamilien gekommen, getrennte Pflegefamilien. Und es wurde auch nicht vom System darauf geachtet, dass das Pflegefamilien sind, in denen diese Muttersprache gesprochen wird. Das heißt, die Kinder sprechen auch die Muttersprache nicht mehr. Das heißt, diese Verbindung kann gar nicht mehr so hergestellt werden. Das ist wirklich durchgeschnitten worden. Speaker0: [26:23] So werden dann Fakten geschaffen. Denn vor dem Gericht ist es ja nun völlig logisch. Mutter und Kinder können nicht mal mehr miteinander reden. Dann bleiben sie doch besser in den Pflegefamilien. Du kannst dir denken, dass ich im Interview mit Elf Niki so richtig mit den Ohren geschlackert habe, weil was ist da los? Das Fragezeichen in meinem Gesicht wurde auf jeden Fall immer größer. Warum wurde sich zum Beispiel nicht um die Mutter gekümmert? Die braucht doch ganz offensichtlich psychologischen Support. Ist es da nicht irgendwie effizienter, sich erstmal um sie zu kümmern, statt die Kinder aus der Familie zu nehmen? Ich stelle mir einfach Berge an Bürokratie vor und die ganzen Pflegefamilien, die gefunden werden müssen, die Gerichte, die beschäftigt werden. Könnte das nicht verhindert werden? Warum ist das so? Speaker1: [27:13] Okay, Patriarchat erstmal, dann dieses System ist jetzt da. Und ein System, das da ist, erhält sich auch immer selten. Und sucht sich seine eigenen Fälle. Das heißt, die ganzen Träger wollen weiter aufrechterhalten bleiben. Die Kinderheime wollen aufrechterhalten bleiben. Da arbeiten ja Menschen. Die werden finanziert. Da müssen auch Kinder kommen, die dann da drin betreut werden. Das heißt, es ist auch ein selbsterhaltendes System, das Nachschub braucht. Speaker0: [27:45] Das ist natürlich nur eine von vielen Erklärungen. Aber ich finde, sie leuchtet schon sehr ein. Die Krux ist zudem, dass viele Menschen in der sozialen Arbeit davon ausgehen, grundsätzlich Gutes zu tun. Speaker1: [27:57] Da arbeiten unfassbar engagierte Menschen, die wirklich auch da reingehen in dieses System mit dem wirklich ehrenhaften Anspruch, was Gutes zu tun für Kinder. Das sind oft auch Menschen, die selber schlimme Erfahrungen gemacht haben und gerade deswegen auch helfen wollen, sage ich jetzt einfach mal. Speaker0: [28:16] Doch dann hat man sich eben noch nicht so mit seinen eigenen rassistischen Vorstellungen auseinandergesetzt, ist eben noch nicht längst dabei, die zu verlieren. Denn wie du schon im zweiten Teil dieser Trilogie hören konntest, gab es im Nationalsozialismus sehr genaue Vorstellungen davon, welches Leben lebenswert ist und welche Mutterschaft erwünscht ist. Und diese Vorstellungen sind in vielen, vielen Menschen ganz, ganz tief verankert, auch in SozialarbeiterInnen. Evniki macht dieses Machtgefälle sehr deutlich. Speaker1: [28:48] Wir haben zwar eure Länder kaputt gebombt und euch kolonial ausgebeutet und euch in eine Situation gebracht, die euch überhaupt erst dazu gebracht hat, dass ihr flüchten musstet. Aber wenn ihr jetzt mit euren Kindern hierher kommt, dann wissen wir genau, wie ihr eure Kinder zu erziehen habt. Darin sind wir die Experten. Speaker0: [29:05] Da geht es dann richtig ans Eingemachte. Denn vermutlich haben sich Mitarbeitende beim Jugendamt das so nicht vorgestellt. Speaker1: [29:13] Da bin ich dann eigentlich Komplizin in einem System, das eigentlich Kindern schadet. Das kollidiert absolut mit dem Selbstbild. Und das zu dekonstruieren und da irgendwie ein Bewusstsein zu schaffen, ist ein bisschen wie auf Granit zu beißen. Speaker3: [29:32] Wenn wir uns Hilfepläne vom Jugendamt angucken, geht es gar nicht um Rassismus. Klischees werden reproduziert, wir müssen die Kinder vor Zwangsheirat schützen, die Eltern wollen gar nicht, dass ihre Kinder in die Schule gehen etc. Speaker0: [29:45] Bei Svetlana Kostic zu ergänzen. Sie steht mit sechs Kindern auf der anderen Seite und kennt durch ihre jahrelange Arbeit bei Romani Penn viele Erfahrungsberichte, wie Romja und Sintitze in Deutschland das Leben schwer gemacht wird. Speaker3: [29:59] Wenn wir uns den Bildungsbereich anschauen, also es fängt schon mit der Kita an. Wer hat Zugang zur Kita? Speaker3: [30:06] Und in verschiedenen Gruppengesprächen, Fokusgruppen und Interviews. Wir berichten Mütter, dass sie am Telefon zum Beispiel ein klares Ja bekommen, ihr Kind hat einen Platz, dann erscheinen sie dort in traditioneller Kleidung vielleicht und dann heißt es, wir haben doch keine Plätze für ihr Kind. Also sie haben uns falsch verstanden. Und dann gehen wir in den Schulbereich. Wie viele unserer Kinder kriegen von vorne ab eine Sonderschulzuweisung. Ja, wenn unseren Mädchen gesagt wird, ihr sollt lieber nicht aufs Gymnasium geht, geht mal lieber auf die Realschule, weil ihr schafft das eh nicht, weil ihr müsst ja eh heiraten und so weiter. Also es gibt total viel. Also sei es, dass meine Tochter auf dem Schulhof beleidigt wurde, dass sie zu dunkel ist, ihre Haut ist zu dunkel, dass Lehrkräfte nicht interveniert haben. Oder immer wenn etwas gefehlt hatte bei den Kindern, sei es irgendwie ein Flummi oder so, wurde ich angerufen, ob mein Kind das nicht mitgenommen hätte und dann hat er sich im Nachhinein rausgestellt, ach nee, das war der Kleine ja doch nicht. Oder wenn wir über die Geschichte des NS sprechen, werden Personen aus unserer Community gar nicht erwähnt. Meine Kinder kamen nach Hause und haben immer gesagt, Mama, über Roma und Sinti wurde nicht so viel gesprochen. Oder sie haben wieder das Z-Wort benannt, die rassistische Fremdbezeichnung für Romnia und Sinti. Das macht was mit Kindern. Speaker1: [31:30] Da geht es um Beschimpfungen, die Benutzung des N-Worts und anderen rassistischen Begriffen. Speaker0: [31:37] Ergänzt Anthea Kira aus der Perspektive schwarzer Familien in Deutschland. Speaker1: [31:41] Aber auch Sanktionierung von Lehrpersonal gegenüber schwarzen Kindern, die viel höher ausfällt als gegenüber weißen Kindern. Und dann werden Kinder plötzlich vom Unterricht freigestellt, suspendiert oder von der Schule geschmissen, weil sie auffällig und laut sind. Und man guckt sich aber gar nicht an. Hat das Kind vielleicht als eine Umgangsstrategie, um mit den ganzen Rassismen, die es in der Schule erfährt, eine Strategie entwickelt, nämlich laut zu werden? Speaker0: [32:10] EOTO, also Each One Teach One, ist eine Bildungs- und Empowerment-Organisation, die sich für die Interessen schwarzer, afrikanischer und afrodiasporischer Menschen in Deutschland und Europa einsetzt und regelmäßig einen Monitoring-Bericht über rassistische Angriffe im öffentlichen Raum herausbringt. Speaker1: [32:28] Das geht von hinterhergerufenen Kommentaren von Eltern, die gerade mit einem Kind oder Baby spazieren gehen, zu einem Anspucken des Babys oder zu Schubsen oder auch ins Gesicht schlagen. Also es ist ein krasses Spektrum von Rassismus im öffentlichen Raum, der auch täglich sozusagen gewaltvoll ist. Und dann teilweise auch von Müttern zu hören, die sagen, ich bin mit meinen Kindern vor allem zu Hause, weil immer, wenn wir rausgehen, passiert was. Also das ist total schmerzhaft. Speaker0: [33:02] Und selbst wenn nichts passiert, bleibt immer diese Unsicherheit, ob nicht gleich doch noch was passiert. Speaker1: [33:07] Auch Antischwarzer Rassismus ist nicht nur ein Wetterereignis, ein Sturm oder ein Regen oder so, sondern es ist ein allgegenwärtiges Klima. Und das Klima ist immer da. Es ist immer gegenwärtig. Und das ist was, mit dem schwarze Menschen, schwarze Familien und schwarze Kinder immer durchs Leben laufen. Und das finde ich gerade in diesem öffentlichen Raum. Also ja, wen willst du da wie, wofür ansprechen? Du bist da im Zweifel alleine und ausgesetzt. Speaker0: [33:39] Wenn nicht in das weiße, bürgerliche Ideal passt, wird schneller bewertet. Als Mutter, als Vater, als Elternteil, als Familie. Und je mehr Kinder da sind, desto hochgezogener sind die Augenbrauen. Denn Großfamilien geraten in Deutschland auch schnell unter Verdacht. Zu viel, zu laut, zu unvernünftig. Speaker1: [33:59] Ich bin mit fünf Geschwistern aufgewachsen. Und ich weiß noch, dass unsere Mama, wir mussten immer, wenn wir rausgegangen sind, Wir fanden das so nervig, weil wir waren auch im ländlichen Raum. Wir wollten eigentlich die ganze Zeit immer so Räubersachen anziehen. Und wenn wir die Straße bequeten hatten, wussten wir richtig ordentlich aussehen, weil sie wusste, über uns wird auf jeden Fall geredet oder da wird dreimal mehr geguckt, wie sind die Kinder angezogen. Speaker0: [34:26] Tja, wie viele Kinder sind genug? Reproduktive Gerechtigkeit sieht auch vor, selbst zu entscheiden, wie viele Kinder man haben möchte. Das scheint leider den wenigsten klar zu sein. Speaker3: [34:36] Ich war letzte Woche im Krankenhaus. Ich hatte sehr, sehr starke Unterleibsschmerzen gehabt. Und dann hieß es, sie haben eine Zyste und die muss dringend schnell entfernt werden. Speaker0: [34:46] Erzählt mir Svetlana Kostic im Interview. Speaker3: [34:49] Und ich saß gerade mal fünf Minuten mit der Ärztin und dann war, ach, sie haben sechs Kinder. Na wissen Sie, ich empfehle Ihnen gleich den Eierstock rauszunehmen, weil Kinderwunsch ist ja wohl vorbei. Oder wollen Sie etwa noch Kinder? Ich sollte innerhalb fünf Minuten entscheiden, ob ich jetzt mein Eierstock aufgrund der Zyste entfernen möchte. Und erst als ich gesagt habe, es geht doch um weitaus mehr als ein Kinderwunsch hier. Ja, das hat doch auch andere Folgen. Meinst du, naja. Speaker0: [35:19] Ja, ja, denn mit der Entfernung der Eierstöcke kommt es zu einer abrupten hormonellen Umstellung und die Menopause setzt ein. Das kann Schlafstörungen, Hitzewallungen, Stimmungsschwankungen und ein erhöhtes Risiko für die Knochengesundheit oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit sich bringen. Und das ist ja wohl nicht nichts. Speaker3: [35:39] Erst als ich ihr gesagt habe, ich fühle mich in meinen reproduktiven Rechten hier eingeschränkt und sie gemerkt hatte, dass ich so ein bisschen Ahnung habe von dem Thema, hat sie sich wirklich Zeit genommen, hat mich gründlich untersucht, hat mich beraten und mir Pro und Contra, so wie es eigentlich selbstverständlich hätte sein sollen. Speaker0: [35:59] Svetlanes Erfahrung wehnte ich eigentlich schon in den Geschichtsbüchern, denn es war mal ziemlich üblich, dass Frauen in ihren 40ern, Achtung, ganz schlimmes Wort, ausgeräumt werden. Das bedeutet, dass zum Beispiel ein Myom, also eine gutartige Geschwulst im Uterus, zum Anlass genommen wurde, Uterus und oft auch gleich Eierstöcke zu entfernen. Dass es auch Behandlungsmöglichkeiten ohne Operation gibt, erfahren viele Betroffene nicht und haben dann das Nachsehen. Die Zahlen der OPs sind zwar rückläufig, doch mit 208 Eingriffen pro 100.000 Personen im Jahr 2022 immer noch recht hoch. Also üb doch mit mir schon mal den Satz, entschuldigen Sie, aber ich fühle mich hier in meinen reproduktiven Rechten eingeschränkt. Könnte helfen. Auch die Sprachnachrichtlerin, die mit fünf Geschwistern aufgewachsen ist, würde sich gern frei entscheiden können, ob sie ihrer Mutter nacheifert oder nicht. Aber es ist kompliziert. Speaker1: [36:59] Für mich war auch ganz lang, also dachte ich irgendwie, hä, das System ist ja voll cool, so viele Kinder zu haben. Und umso älter ich halt wurde, umso krasser habe ich verstanden, wie krass ausbeuterisch unser System ist. Und meine Mama würde das nie so sagen, aber dass es da auch richtige Struggles gab und das eigentlich überhaupt nicht cool war. Aber ich kann mich immer noch daran erinnern, wie sie einmal, sind wir zur Agentur für Arbeit gegangen, weil genau sie irgendwie dachte, ah, ich bin jetzt aus der Elternzeit raus. Was passiert jetzt eigentlich? Sie wollte sich beraten lassen. Und die Beraterinnen haben sich halt richtig lustig gemacht über uns und auch gelacht und waren auch so, hey, wie kann die jetzt Kinder hier anschleppen? Und das fand ich halt jetzt so später schon auch immer krass. Und bin dann auch ziemlich schnell von dem Wunsch, ganz viele Kinder für mich selber zu haben, abgekommen. Und es ist jetzt nicht ganz realistisch und tatsächlich ja auch gar nicht möglich mit einem normalen Gehalt. Also ich glaube, man muss schon ganz schön gut verdienen, dass man das auch gut finanziell machen kann. Eigentlich müsste doch sich unser System dann total kümmern, wenn jemand sagt, ich möchte ein Kind bekommen. Aber es ist halt überhaupt nicht so, Ja, das finde ich echt, ja, das macht mich manchmal ein bisschen wütend. Speaker0: [38:21] Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Es ist einfach nicht gerecht, wie sehr diese Rahmenbedingungen in diese so persönliche Kinderfrage reinspielen. Speaker1: [38:29] Ich würde gerne noch ein Kind bekommen, aber wir können uns hier in der Gegend schwierig eine größere Wohnung leisten mit dem, was wir gerade verdienen. Und ja, das ist irgendwie was, wo ich jetzt vor ein paar Jahren noch gar nicht gedacht hätte, dass es daran mal scheitern könnte. Zu dritt kriegen wir uns hier noch irgendwie unter in der Wohnung, aber zu viert oder zu fünft würde das dann schon sehr schwierig werden und deswegen wäre es zum jetzigen Zeitpunkt wahrscheinlich unvernünftig, noch ein Kind zu kriegen. Speaker0: [39:05] Und auch hier nicke ich so vor mich hin, während ich diese Folge in der Wohnung einer verreisten Freundin aufnehme, weil ich nicht mehr in meine eigene Wohnung gepasst habe. Zu viele Bedürfnisse auf zu engem Raum. Unvernünftig wäre das, da noch mehr Kinder reinzustopfen. Am besten, wir warten noch ein paar Jahre, dann verdienen wir vielleicht mehr, dann können wir uns vielleicht eine größere Wohnung leisten. Dann ist es nicht mehr so unvernünftig. Speaker1: [39:32] Reproduktiv alt ist man wahnsinnig schnell. Speaker0: [39:34] Ach ja, da war ja was. Jonte Lindemann. Speaker1: [39:37] Ich bin auch schon reproduktiv alt. Also die Chancen, schwanger zu werden, die gehen schon ab Mitte 20 runter und nehmen dann nochmal ab Mitte 30 doch nochmal rapide ab. Also das heißt jetzt nicht, dass es völlig unmöglich wäre sozusagen. Und das ist ja auch nicht unmöglich. Wir sehen ja Leute, die auch irgendwie herkömmlich im Wege schwanger werden, obwohl sie schon älter sind. Aber das ist einfach auch eine Tatsache. Und dass Lebensplanung nicht früher Kinder zulassen, das ist eine Stellschraube, an der könnten wir anderes drehen. Also die Gehälter sind irgendwie in jungen Jahren zu niedrig. Man kann sich Kinder schlicht nicht leisten. warum ist es so teuer in unserer Gesellschaft, mit Kindern zu leben? Warum kann sich das nicht jeder leisten? Wir haben irgendwie ein Wohnraumproblem, wir haben einen Kita-Platzproblem, wir haben ein Problem, was Vereinbarkeit von Beruf und Familie angeht. Wir haben viele, viele Probleme, ehrlich gesagt, an denen zu drehen wäre. Und das sind aber soziale Probleme. Und auf die müssen wir vielleicht keine technologischen Antworten finden, sondern soziale Antworten. Speaker0: [40:36] Jonte sagt, die wirklichen Stellschrauben sind eher im Sozialen und nicht in immer krasserer Reproduktionsmedizin zu finden. Sophie Schwab vom Zukunftsforum Familie macht das sehr konkret. Speaker2: [40:48] Genauso brauchen wir eine Gesellschaft, die sich eben löst von der Zentrierung rund um Erwerbsarbeit, die Sorgearbeit anerkennt und sichtbar macht und auch mitdenkt, wenn es um Debatten geht rund um Erwerbsarbeit. Speaker0: [41:05] Denn so wie es jetzt läuft, können viele Familien das kaum stemmen. Einfach mehr arbeiten, fordern einschlägige PolitikerInnen. Für Familien macht es aber keinen Sinn. Da sind die meisten sowieso rund um die Uhr am Arbeiten. Ob nun in oftmals schlecht bezahlten Jobs oder unbezahlt im Haushalt mit den Kids. Besser bezahlte Lohnarbeit würde vielen Familien mehr Luft verschaffen und funktionierende Ganztagsschulen und Kitas würden diese Lohnarbeit stressfreier möglich machen. Und dann wäre da natürlich noch diese längst überfällige Aufwertung von Sorgearbeit. Sophie Schwab. Speaker2: [41:40] Wir wissen ja, dass Männer zwar immer behaupten, sie wollen auch mehr Sorgearbeit machen, aber wenn wir uns dann die Zahlen anschauen, sind die Väter, die Eltern Geld machen, wirklich immer noch ein ganz kleiner Prozentsatz, um die 20, 25 Prozent und von denen macht der Großteil nur die obligatorischen zwei Monate und baut das nicht aus. Also wir sind von echter Gleichstellung und fairer Aufteilung der Sorgearbeit wirklich noch weit, weit, weit, weit entfernt und immer wieder wird in der Debatte als Argument genannt, naja, die Väter bleiben nicht so viel zu Hause, weil sie ja das höhere Geld verdienen oder den höheren Einkommenssatz haben und deswegen gehen sie weiter arbeiten und die Frau mit dem niedrigeren Gehalt bleibt zu Hause. Das Argument ist allerdings ein sehr schwaches Argument, weil wir wissen, dass selbst in Familien, wo die Frau mehr verdient, auch die Frau zu Hause bleibt. Speaker0: [42:32] Es kam mir dann erstmal ein bisschen unlogisch vor, warum das ZFF dann trotzdem am Geld ansetzen will, wenn es offensichtlich gar nicht ums Geld geht. Paare entscheiden sich anscheinend aus Überzeugung dafür, dass die Frau zum Kind gehört und der Mann zum Job. Da braucht es einen Sinneswandel. Aber weil der nicht herzuzaubern ist, denken wir das mit dem Geld doch mal kurz durch. Wenn also Elternteile, sagen wir, einkommensunabhängige 2000 Euro pro Monat Elterngeld bekommen würden, was würde das verändern? Zumindest wären krasse Unterschiede zwischen PartnerInnen abgefedert. Aber klar, Väter mit höherem Gehalt könnten dann immer noch sagen, ja nice, dass dein Elterngeld jetzt sogar höher ist als dein normales Gehalt. Dann gehe ich mal schön weiter arbeiten, weil dann haben wir richtig viel Cash und so ein Kind ist ja auch teuer. Trotzdem wäre ein einkommensunabhängiges Elterngeld ein gutes politisches Signal, denn auch die Unterschiede zwischen Familien wären nicht mehr so krass. Speaker2: [43:30] Warum soll eine Familie mit zwei Ärztinnen als Eltern, die aber auch Windeln wechseln, nachts wenig schlafen, stillen, whatever machen in der ersten Zeit, während das Baby da ist, mehr bekommen als eine Familie, wo sie vielleicht Paketzustellerin ist und er Gabelstabelfahrer ist in der Fabrik und beide vielleicht im Mindestlohnbereich arbeiten? Also auch hier diese Idee, gleicher Lohn für gleiche Sorgearbeit. Speaker0: [44:00] Ja, es würde zeigen, alle Eltern, unabhängig von Gehalt oder Geschlecht, haben einen Anspruch auf Zeit mit ihrem Kind. Das würde Vätermonate normalisieren. Speaker2: [44:11] Und wir wissen auch, dass Männer teilweise Diskriminierung in bestimmten Branchen erfahren, also in sehr männlich dominierten Branchen. Es ist für Väter tatsächlich schwierig, mehr als diese zwei Monate zu bekommen. Um für sie die Hürden abzubauen, müssen wir in diesen Partnermonaten was drehen. Wir diskutieren zurzeit die Idee, der eine Elternteil macht fünf, der andere Elternteil fünf. Und dann gibt es noch vier Monate, die zur freien Verfügung sind. Also wenn ein Elternteil unbedingt mehr machen möchte, könnte dieser Elternteil dann neun Monate zu Hause bleiben und der zweite vier. Speaker0: [44:43] Vielleicht bleibt Familienzeit dann nicht weiter ein Mütterding. Wir bleiben noch kurz bei der harten Münze, denn mit so einem Kind kommt neben dem hoffentlich ausreichenden Elterngeld ja auch noch Kindergeld. Das ist ja dann Geld für Kinder, oder? Speaker2: [44:59] Ja, jetzt steigen wir in die tiefen und schrecklichen Sozialstaats ein. Speaker0: [45:03] Ja, also lieber nicht allzu tief. Ich fasse diesen Skandal gerne kurz zusammen. Denn Elternteile, die Bürgergeld bekommen, also 563 Euro im Monat, denen wird das Kindergeld angerechnet. Das heißt, es gibt diese 255 Euro Kindergeld nicht obendrauf. Es gibt lediglich 25 Euro Kinder sofort zu stark. Das heißt, insgesamt hat man dann 588 Euro im Monat und das soll dann für dich und dein Kind reichen. Das geht dann natürlich völlig an der Idee vorbei, dass das Kindergeld für Kinder ist und Eltern entlasten soll. Speaker2: [45:42] Also wir müssten einen Beirat haben, wo Kinder und Jugendliche einen festen Platz haben, wo sie mitreden können und ihre Existenzbedarfe mitformulieren können. Speaker0: [45:50] Ja, Kinder an die Macht. Speaker2: [45:51] Also gerade für Kinder- und Jugendpolitik, ich glaube es sind die Jugendparlamente heißen, die auch hier in Berlin, da könnte man andocken. Also es gibt schon Strukturen, wo man an junge Menschen kommt, die Lust haben, ihre Meinung zu sagen. Ich würde es allerdings breiter ansetzen, weil oft in diesen Jugendgremien Kinder aus Mittelschichtsfamilien sind. Und wenn wir aber Interessen auch vertreten wollen quer durch die Gesellschaft, dann müsste man auch zu den Orten gehen, wo diese Kinder sind. Also sprich an die Schulen oder an Jugendhäuser, Sportvereine. Und dann könnte man da entweder über Umfragen die Bedarfe ermitteln oder man schafft wirklich Gremien und beteiligt sie an so einem Prozess. Speaker0: [46:32] Sophie Schwabs Forderungen sind im Grunde simpel und gleichzeitig radikal. Familienpolitik soll nicht mehr ausgleichen, was Wirtschaft und Gesellschaft kaputt machen. Sie soll in erster Linie die Bedingungen schaffen, unter denen Kinder-, Eltern- und Sorgearbeit wirklich zählen. Aber was ist mit Familien, die von diesen finanziellen Unterstützungen sowieso ausgeschlossen werden, weil sie keinen sicheren Aufenthaltsstatus haben oder weil ihre Existenz seit Jahren von Behörden infrage gestellt wird? Speaker3: [47:03] Wenn wir über Aufenthalt sprechen, wenn wir über Geflüchtete sprechen, wenn wir über Kettenduldungen sprechen, wenn ich Kettenduldung sage, sind das wirklich so drei Generationen. Und wie können wir über reproduktive Rechte sprechen, wenn Personen über Jahre, über Dekaden Existenzängste haben, wenn du eine Einschränkung im Aufenthaltsrecht hast? Speaker0: [47:27] Fragt sich Svetlana Kostic zu Recht. Speaker3: [47:30] Wenn wir das Kriterium nehmen, das Recht, Kind in einer sicheren, gesunden Umgebung, frei von individueller und staatlicher Gewalt großzuziehen, aber du dann keinen Wohnraum hast für dein Kind, dass du auf dem Amt kämpfen musst, um Sozialleistungen zu bekommen, die dir immer wieder verwehrt werden. Und dieser Teufelskreis, also wenn du keine Sozialleistung bekommst, kriegst du keine Wohnung. Wenn du keine Wohnung kriegst, hast du den Anspruch nicht auf Sozialleistungen. Wenn du keinen Kita-Platz bekommst aufgrund deines Aufenthaltsrechts, kannst du den Deutschkurs nicht machen. Ohne Deutschkurs kriegst du keinen Job und so weiter. dann aus diesem Teufelskreis rauszukommen. Also wer sind die Leidtragenden? Es sind die Kinder. Die Kinder sind die Leidtragenden. Und ich kenne etliche Familien, die keinen sicheren Aufenthalt haben, somit auch teilweise keine Arbeitserlaubnis haben und zu zehnt in einer Zwei-Zimmer-Wohnung wohnen. Es gibt so, so viele Familien, Über Generationen mit einer Duldung leben, die in Flüchtlingsheim leben oder auf ganz, ganz engem Raum zusammenleben, wo nicht jedes Kind einen eigenen Schreibtisch hat oder gar die sanitären Anlagen sich mit fremden Personen teilen muss. Da können wir bestimmt nicht von reproduktiven Rechten sprechen. Also wir sprechen ja hier von Menschenrechten. Also das Konzept ist ja ein menschenrechtsbasiertes Konzept, die immer wieder gebrochen werden. Speaker0: [48:57] Übrigens können wir auch nicht von reproduktiver Gerechtigkeit sprechen, wenn Familien gar nicht erst zusammenleben können. So wurde der Familiennachzug im Juli 2025 für subsidiär Schutzberechtigte ausgesetzt. Subsidiär Schutzberechtigte sind Menschen, die nicht unbedingt aus Kriegsgebieten stammen, aber aus Ländern, in denen ihnen Verfolgung aufgrund ihrer Sexualität oder politischer Meinung droht. Und in den nächsten zwei Jahren werden deren Familien nicht nachkommen können. Und meine Angst ist natürlich, dass der Familiennachzug noch weiter eingeschränkt wird. Wenn die Regelung tatsächlich auch Geflüchtete und Asylberechtigte treffen würde, blieben am Ende vor allem Kinder und Frauen in Kriegsgebieten zurück. Und wofür das genau gut sein soll, das soll mir Friedrich Merz mal erklären. Reproduktive Gerechtigkeit heißt also auch, Angstfreiheit zu schaffen. Egal ob vor Armut, Rassismus oder Abschiebung, all das bedroht das Recht, Kinder unter würdevollen Umständen großzuziehen. Speaker2: [49:57] Also genau, ich komme jetzt vom Hölzchen auf Stöckchen. Speaker0: [49:59] Das Gefühl kenne ich gut. Sophie Schwab. Speaker2: [50:02] Es gibt ganz viel zu tun, aber ich glaube, Klima ist wirklich auch ein wichtiges Familienthema, weil wenn unsere Welt nicht lebenswert ist für die Kinder, dann brauchen wir fast auch keine Familienpolitik mehr machen, um es mal sarkastisch auszudrücken. Aber deswegen ist Klimapolitik auch Familienpolitik genauso wie gesagt Demokratiefragen, soziale Gerechtigkeit, Umverteilung, Geschlechtergerechtigkeit. Speaker0: [50:23] Ja, es gehört alles zusammen. Klimaschutz ohne soziale Sicherheit macht keinen Sinn und andersrum natürlich eh nicht, weil dann ist es zu heiß für all diese Ideen hier. Wenn so viel Druck auf Familien lasten kann, Rassismus, Armut, Behindertenfeindlichkeit, unsicherer Aufenthaltsstatus, Klimakrise, wie schön wäre es dann, den Druck auf noch mehr Schultern verteilen zu können? Vielleicht, und das hörst du in diesem Podcast ja nicht zum ersten Mal, muss Familie größer gedacht werden. Speaker3: [50:57] Also eigentlich, das weiß ich jetzt auch, seitdem ich Kinder habe, eigentlich braucht es einfach viel mehr Menschen als zwei, um sich um Kinder zu kümmern. Und das ist für alle toll so. Und es wäre einfach auch wichtig, dass das gesellschaftlich viel stärker etabliert wird. Also die Familien, die ich kenne, sind einfach alle völlig überlastet, eigentlich ständig krank. Die Kitas sind überlastet, die Erzieherinnen sind ständig krank, Burnout. Also das ist ja alles kein gutes System. So, da geht es niemandem gut und da gewinnt auch niemand mit. Speaker0: [51:24] Stimmt Amina Neute vom Gunder-Werner-Institut mit ein. Sie bringt auf den Punkt, was in dieser ganzen Trilogie mitschwingt. Reproduktive Gerechtigkeit heißt auch, Familie vielfältig zu denken, jenseits von biologischer Elternschaft, Kleinfamilie und klassischen Rollen. Speaker3: [51:42] Also genau, ich muss sagen, ich hatte echt eine krass lange Kindermutschgeschichte, aber ich glaube schon, dass so dieses gesellschaftliche Ding von Kinder haben und zu einer bestimmten Phase Kinder haben und dass es schon krass gewirkt hat in mir und dass ich auch erst heute an so einem Punkt bin, wo ich mich frage, krass, vielleicht hätte es ja auch ganz anders kommen können, aber da haben mir total die Alternativvorstellungen davon gefehlt, was Möglichkeiten wären, vielleicht auch Kinder zu haben, ohne sie selbst zu bekommen oder so. Und das meine ich, es wird oft so alternativlos dargestellt und ja auch oft alternativlos gelebt und es ist ja rechtlich auch relativ klar eingeschränkt, so wer Eltern sind und wer Verantwortung übernehmen darf. Und da würde ich mir einfach total wünschen, dass sich gesellschaftlich auch ändert. Und das würde ja damit anfangen, dass wir das individuell auch anders machen. Aber ich finde das in so Momenten dann total schwer. Speaker0: [52:29] Das beschreibt doch auch noch mal ganz gut, was reproduktive Gerechtigkeit heißen kann. Nämlich sich nicht mit den engen Vorstellungen abzufinden, die uns gesellschaftlich auferlegt werden, sondern Alternativen zuzulassen. Sorgearbeit teilen, Verantwortung teilen, Elternschaft teilen, damit Kinder wirklich in einer Gesellschaft aufwachsen, in der sie von vielen getragen werden. Politisch heißt das, nicht einzelne Elternteile stark machen, damit sie ein kaputtes System ausgleichen, sondern weg von der Idee, dass Erwerbsarbeit alles ist, hin zu einer Gesellschaft, in der Sorgearbeit sichtbar, bezahlt und zeitlich überhaupt möglich ist. Wenn wir das ernst meinen, verschiebt sich was ganz Grundsätzliches. Weg von der Frage, wie optimieren wir einzelne Familien hinzu, wie organisieren wir unsere Gesellschaft so, dass alle Kinder gut groß werden können. Deswegen hier nochmal die Zielsetzung, formuliert von Sophie Schwab. Speaker2: [53:33] Indem wir alle Kinder gleich behandeln, egal wie das Elternhaus aussieht und ihnen allen auch gönnen, dass sie glücklich und stark und mutig in dieser Gesellschaft aufwachsen. Speaker0: [53:45] Das ist die Messlatte. Drunter geht's nicht. Speaker0: [53:54] Und damit endet die Trilogie zu reproduktiver Gerechtigkeit. Wenn du magst, schick mir gern Feedback an feminismusmitvorsatz at gmail.com oder auf Instagram per Direct Message. Speaker0: [54:06] Und kleine Ankündigung, wenn alles nach Plan läuft, wird es am 28. November einen Live-Podcast von Feminismus mit Vorsatz in der Kulturfabrik Moabit geben. Schau gern mal auf die Homepage von der KUFA, die ich in den Shownotes verlinke, dann sind da alle Infos. Und sonst kommt die nächste Folge im Dezember. Ganz ohne Kooperation, am besten aber mit deiner finanziellen Unterstützung per Direktüberweisung, Paypal-Sendung oder Substack-Abo. Wenn du gerade nichts zahlen kannst, freue ich mich umso mehr über eine gute Bewertung auf deiner Podcast-Plattform. Für diese Folge danke ich dem Gunder-Werner-Institut, der Heinrich-Böll-Stiftung, ganz besonders natürlich wieder Amina Nollte. Meine SprachnachrichtlerInnen haben auch diesmal genau die Perspektiven reingebracht, die ich anders niemals hätte abbilden können. Ich danke meiner Schwester Antonia fürs Zitat einlesen. Und natürlich Sophie Schwab, Elfniki Dracos, Antea Kiere, Jonte Lindemann und Svetlana Kostic, die sich, ohne es zu wissen, so gut die Bälle zugespielt haben, dass das Skriptschreiben so richtig geflotert. Und ich die ganze Zeit so dachte, ja, das macht ganz schön viel Sinn. Tausend Dank dafür. Ich verbleibe wie immer mit feministisch vorsätzlichen Grüßen. Tschüss!

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